Josepsson, Aevar Örn
wenn man diesen Jungs vom Sanitätsdienst Glauben schenken durfte.
Da sie sich seit langem damit abgefunden hatte, dass Argumente und Tatsachen weder Anfang noch Ende von allem waren, versuchte sie nicht eine Sekunde, gegen dieses Gefühl anzukämpfen, sondern ließ den Gewissensbissen freien Lauf. Und das, obwohl sie den verdammten Kerl nie hatte ausstehen können.
»Idiotisch«, murmelte sie, nachdem das Gespräch mit Stefán zu Ende war. »So idiotisch kann nur eine Frau sein.« Sie hatte aber nichts dagegen, denn das war immerhin besser, als ein idiotischer Mann zu sein. Wesentlich besser, versicherte sie sich, während sie in ihre Klapperkiste einstieg, einen fünfzehn Jahre alten und ziemlich mitgenommenen Mazda, der aber immer sofort ansprang. Dem Himmel sei Dank für die Japaner, dachte sie, als sie sich auf den Weg zum Krankenhaus machte.
*
Stefán starrte zum Wohnzimmerfenster hinaus, und sein Blick unter der grünen Kappe war ebenso düster und verhangen wie der Himmel mit den bleigrauen Wolken draußen.
»Nicht zu fassen, dieses ewige Sauwetter«, knurrte er. »Mitte Juli, und nichts als Sturm und Regen. Und laut Vorhersage ist kein Ende abzusehen. So ist es jetzt mehr oder weniger den ganzen Sommer gewesen. Ein Tag dazwischen mit ein bisschen Sonne, aber ansonsten nur Sturm und Regen und groteske Temperaturen. Sommer kann man diese Scheiße doch wirklich nicht nennen.«
»Hm, in Nordisland ist das Wetter schön«, entgegnete Ragnhildur. »Oder zumindest war es das gestern, und es soll wohl auch die nächste Woche so bleiben. Wir hätten schon früher in den Norden fahren und länger dort bleiben sollen.«
Stefán grunzte etwas Unverständliches.
Sie hatten die letzte Woche seines diesjährigen Sommerurlaubs in Akureyri verbracht, wo es fast die ganze Zeit sonnig und warm gewesen war. In den ersten beiden Wochen – die restlichen Urlaubstage wollte er sich noch aufheben – hatte er auf die wenigen Sonnenstunden gelauert, um zu Hause bei sich im Vogar-Viertel im Garten herumzuwühlen. Die meiste Zeit musste er aber wegen des schlechten Wetters im Keller herumpusseln, was sich sehr übel auf seine Laune ausgewirkt hatte, denn die Sonnenstunden waren nicht nur spärlich, sondern ganz sporadisch gewesen, und entsprechend vernachlässigt sah der Garten aus. Er konnte sich kaum etwas Schöneres vorstellen, als sich bei sonnigem Wetter im Garten abzurackern, aber der Vorstellung, sich dazu in Regenzeug vermummen und im Matsch buddeln zu müssen, konnte er nur wenig abgewinnen. Der Keller war allerdings noch nie so sauber und aufgeräumt gewesen, seit sie ihn den früheren Mitbewohnern des Hauses abgekauft hatten. Bald konnte auch die dort gelagerte Sommerproduktion getestet werden, diesmal hatten sie einen australischen Shiraz gewählt, und die Blume versprach Gutes.
»Die Kartoffeln gedeihen zumindest einigermaßen«, sagte er, »und auch die Radieschen. Aber soweit ich sehen kann, hat der Sturm unsere Nachtviolen plattgemacht.«
»Die richten sich schon wieder auf«, entgegnete Ragnhildur besänftigend, »das tun sie doch immer. Das wird schon alles wieder.«
»Das sagst du. Die Mispelhecke sieht so aus, als wär’s schon Herbst, die Weiden sind von Raupen zerfressen, und der Rhododendron steht unter Schock. Ganz zu schweigen von allem anderen, das Einzige, was hier richtig gut gedeiht, sind Löwenzahn und dieser verflixte Hahnenfuß. Im Januar Sonne, der Februar viel zu warm, der März auch, alles treibt aus, bis auf die Birken, und danach geht alles vor die Hunde«, schnaubte Stefán kopfschüttelnd. »Ewig dieses Scheißwetter auf dieser elenden Schäre. Würde mich nicht wundern, wenn das alles zum Teufel geht.«
»Ach, komm, das wird schon wieder«, sagte Ragnhildur, während sie die Kaffeetassen auffüllte. »Die Weiden lassen sich doch nicht unterkriegen, und die Mispelhecke wird sich im nächsten Sommer wieder erholen, auch wenn sie jetzt etwas lädiert ist. Los, du Meckerbolzen, nun trink noch einen Schluck Kaffee. Mir reicht es so langsam mit deinem Gejammere.« Ragnhildur schob ihm die Kaffeetasse und die Zuckerschale hin. Und beschloss, das Thema anzuschneiden, das ihrem Mann wirklich auf der Seele lag.
»Gibt es etwas Neues von Guðni?«, fragte sie.
Stefán rührte mit verzerrtem Gesicht heftig in seiner Tasse. »Nein, nichts. Er ist immer noch bewusstlos und muss künstlich beatmet werden.«
»Was sagen die Ärzte?«
»Nichts Vernünftiges. Wahrscheinlich dasselbe, was sie dir
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