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Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer ohne Sünde ist
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Schikane. Oder Mobbing. Und jetzt wollt ihr ihm einen Mord in die Schuhe schieben.« Sie schüttelte den orangefarbenen Kopf. »Vielleicht nicht komisch, dass er abgehauen ist.«
    »Wir wollen niemandem was in die Schuhe schieben«, begann Katrín zu widersprechen, »wir wollten ihn bloß fragen …«
    »Ja, ja, ja,« unterbrach Tinna sie, »vergiss es. Ihr seid doch alle gleich, immer.« Sie verrenkte sich fast den Hals, um sicherzugehen, dass diese Bemerkung auch Stefán nicht entgangen war. Der zeigte aber keinerlei Reaktion. »Irgendjemand krepiert, und weil ihr keine Lust habt, eure Arbeit zu tun, pickt ihr Flaschen euch einfach den Erstbesten raus, nur weil er schon mal im Knast gesessen hat.« Sie zündete sich mit dem Stummel der ersten die nächste Zigarette an.
    »Waren Úlfur und Ólafur Freunde?«, fragte Katrín, ohne sich durch Tinnas Beschimpfungen aus der Ruhe bringen zu lassen.
    »Nein«, erklärte Tinna eingeschnappt, »das würde ich nicht sagen. Jedenfalls nicht in letzter Zeit.«
    »Aber früher schon?«
    Tinna zuckte mit den Achseln. »Na, ja. Er wohnt ja schließlich, ich meine er wohnte ja direkt gegenüber. Sie haben sich manchmal zusammen einen hinter die Binde gekippt. Ziemlich oft sogar. Dann hab ich Úlfur aber dazu gebracht, eine Entziehungskur mitzumachen, und der hat anschließend auch den alten Knacker dazu überreden können. Aber lange hat das nie vorgehalten, dann war es wieder wie vorher. Als Ólafur von der Therapie zurückkam, wurden sie schon nach ein paar Wochen wieder rückfällig.«
    »Und was dann?«, fragte Katrín. »Was ist passiert? Weshalb sagst du, dass sie in letzter Zeit nicht mehr befreundet waren?«
    »Er hat sich bekehrt. Ólafur, meine ich. Deswegen hatte Úlfur einfach keinen Bock mehr, mit ihm zu trinken. Der hat nämlich nur noch über Gott und den Weltuntergang und sowas geredet. Ólafur, meine ich, und er hat auch versucht, Úlfur da in diesen Jesusquatsch reinzuziehen. Eigentlich hatte Úlfur ganz damit aufgehört, zu ihm rüberzugehen, höchstens wenn er … wenn er keinen Alkohol mehr im Haus hatte und ihm niemand anders aushelfen konnte.« Sie sah Katrín ins Gesicht. »Aber er hat ihn nicht umgebracht. Úlfur hat Ólafur nicht umgebracht, und ihr könnte das nicht einfach so behaupten, bloß weil er da anno dunnemals mit dem Messer auf einen anderen losgegangen ist. Er ist kein Krimineller. Nicht mehr.«
    »Sag mir eines«, ließ sich Stefán hinter ihrem Rücken vernehmen, »was hast du vorhin gedacht, wer hier in der Wohnung ist?« Seiner Stimme war keine Spur von Gereiztheit oder Ungeduld anzuhören. Tinna hingegen rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum und schwieg eine Weile, bis sie die richtige Antwort gefunden hatte.
    »Bloß jemand, der hier nichts zu suchen hat«, sagte sie. »Einbrecher oder so was.«
    Stefán trat einen Schritt auf den Tisch zu und setzte seinen kräftigen Zeigefinger auf die beiden Umschläge, die an Ólafur adressiert waren.
    »Und was kannst du uns darüber sagen?«, fragte er.
    »Nichts«, erklärte Tinna. »Wieso sollte ich euch etwas über irgendwelche Briefe an Ólafur sagen können?«
    »Weil sie hier bei dir im Abfalleimer waren. Bei euch. Irgendeine Idee, wie sie dorthin gekommen sein könnten?«
    »Nein«, entgegnete Tinna prompt, »keinen Schimmer.«
    *
    Erst als sie wieder im Hotel waren, sich geliebt, geduscht, wieder angezogen und das erste Glas getrunken hatten, traute sich Ragnar, Bárður zu fragen, was ihm die ganze Zeit, seit sie Hólmfríður verlassen hatten, nicht aus dem Kopf gegangen war.
    »Was verdient deine Schwester eigentlich bei ihrer Arbeit?«, fragte er schwer atmend. Er war feuerrot geworden. Wie erwartet, reagierte Bárður böse.
    »Was meinst du damit, was sie verdient?«, fragte er scharf. »Wieso willst du das wissen?«
    »Nur so.« Ragnar legte den Kopf schräg und hoffte, dass es unbefangen wirken würde. »Ihr scheint es im Augenblick richtig gut zu gehen.«
    »Und? Ist was dabei? Habe ich da etwa was verpasst, gibt es irgendwelche Gesetze, die besagen, dass geschiedene Frauen mit Kindern am Hungertuch nagen müssen?«
    Ragnar seufzte. Ihm war klar, dass er dieses Thema nicht hätte anschneiden dürfen, aber nun es war zu spät. Bárður würde für den Rest des Tages beleidigt sein. So gesehen war es wohl am besten, einfach weiter in diese Kerbe zu hauen.
    »Nein«, sagte er, »aber soweit ich mich erinnern kann, war sie total blank, als wir sie im vergangenen Jahr getroffen haben.

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