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Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer ohne Sünde ist
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Schäre.«
    *
    Die Scheibenwischer kamen die ganze Zeit kaum gegen die Wassermassen an, während sie von Breiðholt hinunter zum Hlemmur fuhren, und obwohl das Radio nicht lief, gaben beide während der Fahrt keinen Ton von sich. Doch als sie wieder in Stefáns Büro saßen, musste Katrín sich Luft machen. Sie schlug mit der Faust auf den Schreibtisch.
    »Verdammt nochmal, wie ist so etwas nur möglich?«, schimpfte sie und sah Stefán anklagend an, obwohl der nun wirklich nichts dafür konnte. »Ich weiß«, sagte sie in entschuldigendem Ton, »das haben wir schon tausendmal gesehen, und ich habe sogar meine Abschlussarbeit in Psychologie über Gewalt in der Ehe geschrieben. Da habe ich vierzehn Interviews mit Frauen gemacht, die das jahrelang über sich ergehen ließen, und das aus allen möglichen Perspektiven analysiert. Warum es so sein muss, ist mir ein Rätsel, ich kenne aber die Mechanismen. Manche reden sich sogar selber ein, dass es letzten Endes ihre eigene Schuld ist, und darin werden sie selbstredend von den Kerlen bestärkt. Ich weiß alles darüber, manche resignieren einfach oder sie brechen zusammen und lassen sich total kaputtmachen, und so weiter und so weiter. Ich weiß auch, wie diese oder jene Wissenschaftler das erklären, ich bin mir sogar sicher, dass sie auch Recht haben, und mir würde nicht im Traum einfallen, diesen Frauen irgendetwas vorzuwerfen. Aber trotzdem … Trotzdem kapier ich das im Grunde genommen nicht. Tut mir leid. Irgendwelche Dreckskerle schlagen ihre Frauen zusammen, immer und immer wieder, und trotzdem, trotzdem halten die weiter zu ihnen. Leben mit ihnen zusammen, tun ihnen alles zu Gefallen und verteidigen sie bis aufs Messer, einige zumindest. Wie ist das nur möglich?« Katrín ließ sich auf den Besucherstuhl fallen und stöhnte schwer. »Wir hätten sie mitnehmen und heute Nacht einsperren sollen. Das Ding mit der Pistole hätte schon ausgereicht, um das zu rechtfertigen. Und überdies die Briefe.«
    »Und was hätte ihr das genützt?«, fragte Stefán. »Oder uns?«
    »Nichts«, gab Katrín zu, »und trotzdem. Wir hätten sie mitnehmen sollen.«
    Aber das hatten sie nicht getan, sondern ihr nur die Wohnungsschlüssel abgenommen und sie wieder zu ihren Kindern und ihrer Mutter geschickt und ihr gesagt, sie dürfe die Wohnung erst wieder betreten, wenn sie dazu die Erlaubnis von ihnen erhielte. Tinna war damit nicht einverstanden gewesen und hatte auf dem Weg zu den Autos lauthals protestiert. »Faschistenschweine!«, war das Letzte, was sie von ihr hörten, bevor sie die Autotür zuschlug und zu ihrer Mutter fuhr. Zumindest hofften sie, dass sie dort hinfuhr, aber genauso gut konnte sie auch Kurs auf die nächste Kneipe nehmen, oder auch ganz woanders hin.
    Stefán hatte sich darum bemüht, Leute zu bekommen, die Tinna beschatten sollten, falls sie zu ihrem Úlfur fahren würde, hatte aber zur Antwort erhalten, dass für so etwas keine Leute abgestellt werden konnten, die Schichten seien ohnehin schon unterbesetzt.
    »Du weißt, dass sie damals mit dem Mann zusammengelebt hat, den Úlfur seinerzeit beinahe erstochen hat?«, fragte Stefán.
    »Ja. Und das macht es weiß Gott nicht einfacher, so etwas zu verstehen.«
    Wieder machte sie eine resignierende Handbewegung. »Tut mir leid. Ich weiß nicht, weshalb ich mich so aufrege.«
    »Reg dich ruhig auf«, sagte Stefán, »das ist völlig in Ordnung. Was ich wiederum nicht verstehe, ist, wie ein Mann fast anderthalb Jahre tot sein kann, ohne dass irgendjemand es merkt. Ohne dass irgendjemand ihn vermisst. Wie kann man so vereinsamt sein, so total allein, dass es niemandem auffällt, wenn jemand sich nicht mehr meldet, weil er tot ist? Das muss doch ein entsetzliches Leben gewesen sein. Das erinnert mich daran, dass wir mit diesem Meister Magnús sprechen müssen. Von Ólafurs Kindern wissen wir, dass er dessen Versammlungen besucht hat, ist das nicht etwas seltsam, dass diese Leute sich nicht nach ihm erkundigt haben?«
    Katrín dachte eine Weile darüber nach. »Vielleicht«, sagte sie, »vielleicht aber auch nicht. Wie viele Mitglieder hat diese Gemeinde? Ein paar hundert? Ein paar tausend? Fällt es auf, wenn da jemand bei den Versammlungen fehlt?«
    »Wohl kaum mehr als tausend, würde ich denken«, sagte Stefán. »Und bestimmt kommen sehr viel weniger zu den Versammlungen. Wenn er wirklich regelmäßig dabei war, muss es doch irgendjemand gemerkt haben, dass er auf einmal nicht mehr kam, oder?«
    »Ich weiß es

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