Josepsson, Aevar Örn
ich meine eine Kontenübersicht bei seiner Bank verlangen, nicht wahr?«
Katrín nickte. »Nicht einfach so, aber wir können …«
»Sehr gut«, sagte er, »dann macht das. So schnell wie möglich. Und ich würde diese Übersicht möglichst auch einsehen wollen, wenn ihr sie bekommt.«
»Weshalb …«, begann Katrín wieder, konnte aber ihren Satz nicht zu Ende bringen. Bárður sprang wieder auf, zog den nassen Regenmantel zurecht und nickte ihr zum Abschied zu.
»Dann erwarte ich euren Anruf, wenn ihr euch das angesehen habt«, sagte er, drehte sich auf dem Absatz um und marschierte hinaus.
Katrín nahm ein Papiertaschentuch zur Hand, wischte den Schreibtisch ab und dachte dabei über Syndrome, Psychosen und Manien nach. Irgendwie fand sie, dass etwas davon zu Bárðurs Benehmen passen musste. Aber ganz abgesehen von Bárðurs seelischem Gleichgewicht konnte es natürlich nichts schaden, sich Ólafurs Kontenbewegungen der letzten fünfzehn Monate anzusehen. Es würde wohl kaum eine zeitraubende Beschäftigung sein und stand ohnehin auf dem Programm.
Die Tür wurde aufgestoßen, noch bevor sie zum Telefonhörer greifen konnte. »Wer hat hier auf den Boden gepinkelt?«, blaffte der Hund und knallte eine Mappe auf ihren Schreibtisch. »Hier, das ist alles, was wir herausgefunden haben. Bei uns ist genug zu tun, deswegen werden wir uns da nicht weiter reinknien, es sei denn, dass ihr darum bittet. Lohnt sich nicht. Oder?«
»Vielleicht kommt das ein bisschen darauf an, was ihr bereits herausgefunden habt«, antwortete Katrín so höflich wie möglich. »Meinst du nicht?«
»Da ist nichts, was nicht zu dem passt, was ihr glaubt. Und wisst. Die Bestätigung dessen, was ich euch bereits am Samstagmorgen gesagt habe, und noch ein paar andere Kleinigkeiten. Fingerabdrücke sind schon etwas Erstaunliches. Die halten sogar länger als Finger. Gibt’s was Neues von Guðni?«
»Er lebt.«
»Erstaunlich. Richte ihm Grüße von mir aus.« Er ging, ohne sich zu verabschieden oder die Tür hinter sich zuzumachen. Katrín stöhnte und öffnete die Mappe.
Der Hund hatte natürlich Recht: Die Ergebnisse des Erkennungsdienstes waren nicht dazu angetan, Úlfur von dem Verdacht zu befreien. Außer den Abdrücken, die er hinterließ, als er zu irgendeinem Zeitpunkt mit der rechten Hand den Griff des Messers gepackt hielt, das in Ólafurs Bauch gesteckt hatte, waren seine Fingerabdrücke sowohl an der leeren wie auch der halb vollen Ginflasche gewesen, an einem Glas und an diesen und jenen Gegenständen im Wohnzimmer und in der Küche. Seine Schuld ließ sich aber dadurch nicht unumstößlich nachweisen, denn außer Úlfur hatten mindestens acht andere Personen in Ólafurs Wohnung Fingerabdrücke hinterlassen, die deutlich genug zum Vergleich waren.
Die meisten stammten, wie nicht anders zu erwarten, von Ólafur selber. Es war zwar unmöglich, von der Leiche im Nachhinein Fingerabdrücke zu nehmen, aber, wie der Hund gesagt hatte, die Abdrücke waren haltbarer als die Finger. Zahnbürste, Rasierapparat, der Nachttisch und die Bibel darauf, aber nicht zuletzt auch die Tatsache, dass sie sich überall befanden, ließen keinen anderen Schluss zu, als dass sie von dem Toten stammen mussten.
Ein Satz mit vier Fingern und der halben Handfläche befand sich ziemlich weit oben am Rahmen der Wohnzimmertür, von einem Unbekannten, und der Größe nach zu urteilen, stammten die Abdrücke vermutlich von einer Frau. Die Position ließ den Schluss zu, dass sie in der Tür gestanden und ins Zimmer geblickt hatte. Diese Abdrücke waren nirgendwo anders in der Wohnung gefunden worden.
Ein weiteres Set von Abdrücken befand sich an einem Glas und sonst nirgends, wahrscheinlich von einem unbekannten Mann.
Ein weiterer Unbekannter war auf die Toilette gegangen. Höchstwahrscheinlich hatte er das Badezimmerfenster geöffnet, das bei ihrem Eintreffen halb offen gestanden hatte. Die Position der Fingerabdrücke auf dem Klosettdeckel gab zu erkennen, dass dieser Mann sich übergeben haben musste. Und er war ganz eindeutig der Letzte, der abgezogen hatte.
Eine dritte unbekannte Person – vermutlich männlich – hatte einen deutlichen Daumenabdruck hinten am Heft des Messers hinterlassen, aber nirgendwo anders.
Und dann die Geschwister, Hólmfríður und Bárður. Katrín hatte ihnen Fingerabdrücke zum Vergleich abgenommen, da beide am Ostermontag des vergangenen Jahres ihren Vater besucht hatten. Dieser Tag war vermutlich sein letzter unter
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