Josepsson, Aevar Örn
Breiðholt, obwohl der Knirps de facto in einem Wohnblock in Hafnarfjörður groß geworden war. Manche waren einfach unbelehrbar …
»Ich hab überlegt«, fuhr Árni fort, der keine Ahnung hatte, was seiner Kollegin durch den Kopf ging, »und zwar wegen seiner Post. Ich meine, wenn er mehr als ein Jahr tot gewesen ist, muss doch irgendjemand …«
»… seinen Briefkasten geleert haben«, führte Katrín den Satz zu Ende. »Ich weiß. Das war dieser Úlfur. Wir haben gestern bei ihm im Abfalleimer zwei Briefe an Ólafur gefunden.«
»Oh«, entfuhr es Árni enttäuscht. Er begann, am Reißverschluss seiner Windjacke herumzufummeln und wirkte auf einmal wieder ratlos und unbeholfen. Das passt besser zu ihm, dachte Katrín amüsiert.
»Hier«, sagte sie, während sie ihm das Fahndungsfoto von Úlfur reichte. »Das solltest du auch bei dir haben. Wir haben eine Reihe von Anrufen bekommen, von Leuten, die ihn hier und dort in der Stadt gesehen haben wollen, und außerdem hat sich eine Frau in Ólafsfjörður gemeldet und behauptet, dass sie ihn gestern gesehen hat, wie er in Richtung Dalvík fuhr.«
»Kennt er denn jemanden in Dalvík?«
»Nicht, dass wir wüssten. Also hier ist jedenfalls eine Liste mit fünf Leuten, die angerufen haben und nicht total gaga wirkten. Stefán hat gesagt, ich solle dich damit beauftragen, mit diesen Leuten zu sprechen, und anschließend mit den Nachbarn von Ólafur und Úlfur auf der sechsten Etage in Krummahólar. Alles klar?«
Árni nickte. »Okay. Wo ist Stefán?«
»Er ist zum Krankenhaus gefahren, um Guðni zu besuchen, und dann hatte er noch was anderes vor. Ich nehme an, dass er so in einer halben Stunde zurück sein wird.«
*
Da kein Handy auf Úlfurs Namen registriert war, beantragte Stefán eine Abhörgenehmigung für den Festnetzanschluss in Úlfurs Wohnung, obwohl sie versiegelt war, und darüber hinaus für Tinnas Handy und den Festnetzanschluss ihrer Mutter, denn Tinna hatte gesagt, sie wolle so lange dort wohnen, bis sie zurück in ihre Wohnung durfte. Der Richter unterzeichnete den Antrag anstandslos, und Stefán beschloss, es Svavar zu überlassen, die entsprechende Mannschaft dafür aufzutreiben. Und wenn möglich auch, um Tinna zu beschatten.
Er klopfte leise bei seinem Vorgesetzten an und betrat das Büro. Svavar telefonierte, bedeutete ihm aber, Platz zu nehmen. Als er das Gespräch beendet hatte, wandte er sich Stefán zu.
»Wo ist sie?«, fragte er ohne Umschweife, »möchtest du, dass ich sie mit dir durchgehe?«
»Wo ist was?«, fragte Stefán verwirrt. »Was willst du mit mir durchgehen?«
»Deine Bewerbung, Mensch«, lächelte Svavar und strich sich über die stahlgrauen, militärisch kurz geschnittenen Haare. »Bist du nicht deswegen gekommen?« Er streckte seine Hand nach einer Schublade im Schreibtisch aus, der er eine dünne schwarze Mappe entnahm. »Meine Begutachtung habe ich schon geschrieben, ebenso der Polizeihauptmeister und sein Stellvertreter. Das ist alles hier drin – das Einzige, was fehlt, ist deine Bewerbung, und alles Meinige wird dein.« Svavar breitete die goldbetressten Arme aus und lächelte noch strahlender. »Und sogar noch mehr, wenn die Umstrukturierungen über die Bühne sind.«
»Sie ist in Arbeit«, brummte Stefán und legte die Verfügung auf den Tisch. »Wir sind im Augenblick unterbesetzt«, sagte er, »könntest du vielleicht ein paar Leute dafür organisieren? So schnell wie möglich …«
Svavar nahm das Papier entgegen und setzte die Nickelbrille auf. »Mach ich«, sagte er, nachdem er die Verfügung überflogen hatte. Er lehnte sich zurück. »Im Ernst, Stefán – du musst deine Bewerbung einreichen, und zwar noch heute.«
»Ich weiß, ich weiß«, knurrte Stefán und stand auf. »Ich mach das. Aber mir fehlt ein Mann oder vielleicht sogar mehrere, um im Zusammenhang mit dem Fall eine Frau zu beschatten. Glaubst du, dass da irgendeine Möglichkeit besteht, Leute zu bekommen?«
Svavar schüttelte den Kopf. »Ich werde es versuchen, aber du weißt, wie die Lage ist. Die Hälfte der Leute ist im Urlaub, es wurden zu wenig Aushilfskräfte eingestellt, und alle Schichten sind unterbesetzt … Aber dafür bekomme ich schon welche«, sagte er aufmunternd und hielt die Abhörgenehmigung hoch.
»Prima«, sagte Stefán. »Du lässt mich vielleicht wissen, wann das angeleiert wird und wer sich darum kümmert und so weiter.«
»Einen Augenblick noch«, entgegnete Svavar und bedeutete Stefán, sich wieder zu setzen.
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