Josepsson, Aevar Örn
aber …«
»Das habe ich auch keineswegs behauptet«, unterbrach Svavar ihn, doch Stefán fuhr unbeirrt in seinem Satz fort. »… ich werde diesmal extrem scharf aufpassen. Bei diesem Mann. Bevor ich gehe, hätte ich aber gern noch von dir gewusst, was du meinst, wenn du sagst, dass Ólafur ein etwas seltsamer Zeitgenosse war. Ich gehe davon aus, dass du ihn im Rahmen eurer Gemeindearbeit kennen gelernt hast – oder ist das auch etwas, was du lieber für dich behalten möchtest?«
Svavar schob seine Brille hoch. »Selbstverständlich nicht«, sagte er entrüstet. »Weshalb sollte ich das wollen? Ich bin schon immer ein gläubiger Mensch gewesen, und in den letzten zehn Jahren habe ich das Glück gehabt, von Meister Magnús geleitet zu werden, wie nicht nur du weißt, sondern wahrscheinlich auch die halbe Nation. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich gläubig bin. Im Gegensatz zu anderen, die sich anscheinend dafür genieren, dass sie auf Gottes Pfaden wandeln …«
*
»In Ordnung«, sagte Katrín am Telefon, »schick ihn rein.« Eine halbe Minute später stand Bárður in der Tür, klatschnass vom Scheitel bis zur Sohle und zitternd wie Espenlaub, was er aber selber kaum wahrzunehmen schien.
»Du untersuchst doch immer noch den Mord an meinem Vater, oder nicht?«, fragte er.
»Ja, das tue ich«, antwortete Katrín.
Daraufhin kam Bárður ganz ins Zimmer, machte die Tür zu und ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Katrín fallen. »Gut. Ich habe mit meiner Schwester Hólmfríður gesprochen.«
Katrín wartete geduldig auf weitere Ausführungen, aber die kamen nicht. »Und?«, fragte sie schließlich.
»Was?«
»Du hast mit deiner Schwester gesprochen?«
Bárður zuckte zusammen und sprang auf. Um ihn herum hatte sich eine Pfütze gebildet. »Ja, und ich habe überlegt, wie das eigentlich abgewickelt wird.«
»Wie was abgewickelt wird?«, fragte Katrín.
Bárður fuchtelte mit den Armen. »Das Ganze«, sagte er ratlos. »Die Beerdigung, der Nachlass, die Banksachen und das alles, du weißt schon. Wie wird so etwas gehandhabt? An wen kann man sich wenden?«
Katrín zuckte mit den Schultern. »Das werden voraussichtlich du und deine Schwester entscheiden müssen. Ihr müsst ein Bestattungsunternehmen beauftragen. Aber es wird noch eine Weile dauern, bevor wir euch …« Sie stockte und suchte nach passenden Worten, fand aber auf die Schnelle keine besseren. »Ich weiß leider noch nicht genau, wann wir euch die Leiche überlassen können«, sagte sie entschuldigend. »Wir geben euch aber sofort Bescheid, wenn das der Fall ist«, fügte sie hinzu und hatte das Gefühl, als würde sie die Situation nur noch verschlimmern.
Bárður schien sich jedoch nicht an ihrer Wortwahl zu stören. »Nein, nein, das ist schon in Ordnung. Es hat ja auch gar keine Eile, so wie die Dinge liegen. Aber das andere? Könntet ihr vielleicht … Habt ihr vielleicht …« Er hielt abrupt inne, stemmte die Hände in die Hüften und sah Katrín ins Gesicht. Dann setzte er sich wieder, stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und wischte sich das Wasser von der Stirn. »Also – es würde mir nie einfallen, dass … Ich weiß, dass Hólmfríður keiner Fliege etwas zuleide tun könnte, ich weiß, dass sie nicht mit … mit … Aber ich glaube, ich fürchte, dass sie vielleicht …« Er gab es auf und schlug unter Zucken und Schluchzen die Hände vors Gesicht.
Himmel, nicht schon wieder, dachte Katrín. Wenn es etwas gab, was sie nicht ausstehen konnte, dann waren es heulende Männer. Sie wusste nicht, wieso, sie fand ihre Haltung auch ziemlich mies in Anbetracht dessen, was sie in den letzten Jahren gelernt und erfahren hatte, aber sie konnte einfach nichts dagegen tun. Heulende Männer gingen ihr auf die Nerven, das hatten sie schon immer getan. Auch im Kino.
»Ich weiß überhaupt nicht, was ich machen soll«, schniefte Bárður zwischen den Schluchzern. »Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll …«
»Na, na«, sagte Katrín und holte eine Packung Papiertaschentücher aus der Schublade. »Hier.«
Bárður brauchte einige Minuten und wer weiß wie viele Entschuldigungen, bis er sich wieder gefangen hatte. Als es Katrín endlich gelungen war, ihm zu versichern, dass es wirklich nicht schlimm war, legte er ein weiteres Mal ein völlig verändertes Verhalten an den Tag. Er richtete sich auf, sah ihr direkt in die Augen und redete mit ihr, als sei sie irgendeine Büroangestellte.
»Ihr könnt doch Auszüge,
Weitere Kostenlose Bücher