Josepsson, Aevar Örn
»Ich möchte noch drei Dinge mit dir besprechen. Erstens, wie geht es Guðni?«
»Den Umständen entsprechend, wie es so schön heißt. Er wird in den nächsten Monaten wohl kaum arbeitsfähig sein.«
Svavar nickte. »Dann musst du zusehen, dass du jemanden findest, der für ihn einspringt. Wahrscheinlich auch für die Zukunft. Ist das nicht eine gute Gelegenheit, ihn in den Ruhestand abzuschieben?« Als Stefán nicht auf diese Frage reagierte, zuckte Svavar mit den Achseln. »Es ist natürlich deine Entscheidung«, fuhr er fort, »beziehungsweise, du wirst diese Entscheidung treffen müssen. Punkt zwei – du bist dir hoffentlich darüber im Klaren, dass du dich von dem Ding da trennen musst, wenn du meine Stelle übernimmst«, sagte er und deutete mit schlecht verhohlenem Abscheu auf Stefáns giftgrüne Baseballkappe. Stefáns Gesicht verzog sich, doch das übersah Svavar geflissentlich. »Ich weiß, dass manche es für einen Nachteil halten«, sagte er, »aber andere, und darunter ich, empfinden es als großen Vorteil, wieder die Uniform anlegen zu müssen, wenn man befördert wird. So wie ich dich kenne, gehörst du sicher zur ersten Gruppe.« Er lächelte milde und großmütig. »Aber du wirst sehen, daran gewöhnt man sich erstaunlich schnell. Nach kurzer Zeit kommt man sich ohne Uniform halb nackt vor.«
»Bestimmt«, sagte Stefán, der sich ziemlich sicher war, dass die letzte Feststellung garantiert nicht auf ihn zutreffen würde. »So weit habe ich einfach noch nicht gedacht, muss ich gestehen. Und was war noch?«
»Noch?«
»Du hast gesagt, du wolltest mit mir über drei Punkte reden?«
Svarar räusperte sich und fummelte an dem goldenen Stift herum, der auf dem Schreibtisch lag. »Dieser Fall«, begann er ungewöhnlich zögerlich, »der, den ihr gerade bearbeitet, wie ist da der Stand der Ermittlungen?«
Stefán sah ihn fragend an. »Seit gestern, als ich mit dir sprach, hat sich nichts geändert«, sagte er, »hinzugekommen ist jetzt nur diese Verfügung. Ólafur ist vor mehr als einem Jahr gestorben, wahrscheinlich voriges Jahr um Ostern herum. Alles deutet darauf hin, dass er von seinem Nachbarn erstochen wurde, und der ist verschwunden.«
»Ihr konzentriert euch also auf diesen Úlfur, nicht wahr?«
»Ja.« Stefán sah Svavar misstrauisch an. »Auf wen sonst?« Er glaubte zu wissen, worauf Svavar hinauswollte. Svavar hatte nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr er daran interessiert war, dass seine Leute das schafften, was dem Rauschgiftdezernat bislang trotz wiederholter und umfangreicher Versuche nicht gelungen war, nämlich Lalli Fett zur Strecke zu bringen. Bestimmt hat Þórður mit ihm gesprochen, dachte Stefán, nachdem er am Tag zuvor bei ihm selbst und Katrín nicht gerade auf begeisterte Zustimmung gestoßen war.
Erstaunlicherweise hatte Svavar aber nicht Lalli Fett im Sinn. »Ja, nein, nein, ich frage ja bloß«, sagte er. »Ich … ich kannte diesen Ólafur ein wenig«, gestand er, »also ich habe ihn natürlich nicht richtig gekannt, aber ich wusste, wer er war. Ein etwas … seltsamer Zeitgenosse.« Svavar verstummte. Stefán wartete gespannt, das versprach, interessant zu werden.
»Auf jeden Fall hältst du mich bitte auf dem Laufenden«, fuhr Svavar nach einer längeren Pause fort. »Und du solltest vielleicht im Hinterkopf haben, wer dieser Mann ist, dieser Úlfur, oder besser, was für ein Mensch er ist, wenn ihr ihn geschnappt habt. Nach dem zu urteilen, was in unseren Akten steht, ist er wohl kein sonderlich – wie soll ich sagen – kein sonderlich vertrauenswürdiger Zeitgenosse, habe ich den Eindruck.«
»Ich verstehe nicht so recht, worauf du hinauswillst«, sagte Stefán bedächtig, »oder warum du darauf zu sprechen kommst. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es für uns beide besser wäre, wenn du das etwas genauer erklärst.«
»Mag sein«, gab Svavar zu, »aber trotzdem habe ich nicht vor, das zu tun, zumindest im Augenblick nicht. Falls nötig, werde ich es dir später erklären. Aber wie gesagt, du solltest das im Hinterkopf haben, wenn du diesen Mann verhörst.«
»Was denn?«, fragte Stefán. »Dass Úlfur dazu tendiert, uns Lügen aufzutischen?«
Svavar nickte feierlich. »Genau. Das hätte ich nicht besser formulieren können.«
»In Ordnung«, sagte Stefán, »ich werde es im Hinterkopf behalten. Ich wusste allerdings nicht, dass ich in dem Ruf stehe, zu leichtgläubig und naiv zu sein, wenn ich Leute vernehme, die unter Mordverdacht stehen,
Weitere Kostenlose Bücher