Josepsson, Aevar Örn
den Lebenden gewesen. Bárður hatte zusätzlich noch am vergangenen Freitag die Wohnung betreten. Seine Fingerabdrücke waren an verschiedenen Stellen gefunden worden, darunter am Couchtisch und am Küchenschrank. Und, wie nicht anders zu erwarten, auch an der Klinke der Wohnungstür. Aber nicht am Messer. An dem hatten sie wiederum Hólmfríðurs Abdrücke gefunden.
Katrín kniff die Augen zusammen und rief sich ins Gedächtnis, was Hólmfríður ausgesagt hatte. Hatte sie nicht abgespült? Das konnte die Erklärung sein, denn der Abdruck stammte von der linken Hand. Katrín versuchte, sich an den Samstagabend zu erinnern, als Hólmfríður ihr in der Küche im Haus ihrer Mutter gegenübergesessen hatte, konnte sich aber nicht darauf besinnen, ob sie Rechts-oder Linkshänderin war.
Katrín legte die Mappe zur Seite, faltete die Hände im Nacken und starrte zur hellgrauen Decke. Nichts von all dem überraschte sie sonderlich. Allerdings fand sie es etwas seltsam, dass man in der Wohnung eines Mannes, der allem Anschein nach kaum Freunde gehabt hatte und auch von seinen Angehörigen vernachlässigt worden war, die Fingerabdrücke von so vielen Menschen gefunden hatte. Der Hund betonte aber, dass es nicht die geringste Möglichkeit gäbe, mit auch nur annähernder Genauigkeit festzustellen, wie alt diese Abdrücke waren. Einige konnte man vielleicht, ausgehend von dem, was sie über den Tathergang wussten, zeitlich etwas näher bestimmen, und wahrscheinlich würde man damit den Zeitrahmen auch noch etwas mehr einengen können, falls es erforderlich wäre – und wenn Hólmfríður nach all dieser Zeit imstande wäre, ihre letzte Putzaktion bei ihrem Vater noch einigermaßen genau zu rekonstruieren.
Nein, solange es immer noch keine Namen für die unbekannten Personen gab, war da nichts, was sie überraschte. Höchstens das, was der Hund ganz zuunterst auf die Liste gesetzt hatte, beinahe wie eine x-beliebige Fußnote. Das war ein Mann, der mit Namen zu benennen war, dachte sie, und griff noch einmal nach der Mappe. Und sehr bekannt, zumindest in gewissen Kreisen, darunter ihren eigenen.
Ein halber Abdruck auf der Klinke der Schlafzimmertür, mehr nicht. Aber das genügte dem Hund, um mit fünfundneunzigprozentiger Sicherheit behaupten zu können, dass die achte Person, die in der Wohnung des invaliden Elektrikers Ólafur Áki Bárðarson ihre Fingerabdrücke hinterlassen hatte, Ásgeir Arason gewesen war, besser bekannt unter dem Namen Ási Stero. Die rechte Hand von Lalli Fett.
9
Montag
»Man kann also im Grunde genommen sagen, dass wir mit einer ganz neuen und erheblich komplizierteren Sachlage konfrontiert sind, findet ihr nicht?« Stefán blickte Katrín und Árni an. Ihm war weder anzusehen noch anzuhören, dass er das bedauerlich fand. Ganz im Gegenteil, es hatte den Anschein, als freute er sich darüber.
»Tja«, war das Einzige, was Árni von sich geben konnte. Bislang hatte er nichts anderes zu der Ermittlung beigetragen, als kreuz und quer durch die Stadt zu fahren, ohne dass irgendetwas dabei herausgekommen wäre. Er hatte sich mit fünf Personen unterhalten, aber letzten Endes war niemand von ihnen imstande gewesen, den Mann, den sie gesehen hatten, mit Gewissheit als Úlfur Kolbeinsson zu identifizieren. Außerdem konnte natürlich auch niemand von ihnen Informationen darüber geben, wohin oder in welche Richtung dieser Mann gegangen war, nachdem sie ihm begegnet waren. Und der einzige Nachbar in Krummahólar zwölf, der zu Hause gewesen war, als Árni sich dort umgesehen hatte, wohnte erst seit fünf Monaten in dem Block.
»Tja«, wiederholte Árni und wurde rot.
Katrín rettete ihn aus der Verlegenheit. »Es gibt zwar keinen Grund, irgendeine andere Möglichkeit auszuschließen«, stimmte sie ihm vorsichtig zu, »aber ich sehe erst recht keinen Grund, Úlfur auszuschließen.«
»Selbstverständlich nicht«, gab Stefán bereitwillig zu, »selbstverständlich schließen wir Úlfur nicht aus. Wie man das Ganze auch dreht und wendet, wir müssen ihn finden. Er hat zugegeben, in der in Frage kommenden Zeit zu Hause gewesen zu sein. Nach dem, was Tinna uns gesagt hat, war er sogar bis Mittwoch nach Ostern allein zu Hause, und er wohnt direkt gegenüber von Ólafur. Und obwohl die gute Frau angeblich keinen blassen Schimmer hat, wieso diese Briefe an Ólafur in ihrem Abfalleimer lagen, kann mir niemand weismachen, dass es die ersten waren, die dort landeten. Der Mann ist also zumindest ein höchst
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