Josepsson, Aevar Örn
Mann ab, der ihn nach unserer bisherigen Annahme umgebracht hat. Und wenn sie den finden, werden wir umgehend informiert. All das hier«, sagte er und wies mit einer dramatischen Handbewegung auf den überladenen Schreibtisch, »all das ist zwar äußerst kurzweilig und interessant, aber das ist es auch noch morgen früh. Acht Uhr, bitte.«
»Aber …«, setzte Katrín an.
»Punkt acht«, wiederholte Stefán. »Und ich fände es nett, wenn einer von euch auf dem Heimweg bei Guðni vorbeischauen würde. Es gibt wohl kaum andere, die das tun.«
Er wartete geduldig, bis sich die Tür geschlossen hatte, bevor er sich seinem Computer zuwandte, um das Bewerbungsformular so schnell und gewissenhaft wie möglich auszufüllen. Anschließend druckte er es aus, unterschrieb es und steckte das Blatt in einen Umschlag, den er auf seinem Weg nach draußen in Svavars Fach legte.
Er war ihm zwar gelungen, sich Árni und Katrín gegenüber schnell und elegant um Svavars seltsame Reaktion herumzudrücken, doch das war genau das, was ihn am meisten beunruhigte. Es war zwar keine Lüge gewesen, dass Svavar sich gerne orakelhaft ausdrückte, aber hier hatte Stefán ihn zum ersten Mal dabei ertappt, wie er in einer Ermittlung, die in vollem Gange war, mit Informationen hinter dem Berg hielt. Er wusste weder, um welche Art von Informationen es sich handelte, noch, wie wichtig sie sein mochten. Doch das war im Grunde genommen auch Nebensache, bedenklich war nur, dass Svavar ihnen etwas vorenthielt.
Stefán war sich relativ sicher, dass es etwas mit der WAHRHEIT oder sogar dem Meister selbst zu tun haben musste. Das war im Grunde genommen die einzig mögliche Erklärung für Svavars Ausweichmanöver. Erklärungen und Entschuldigungen waren ja gut und schön, aber nach Stefáns Meinung gab es nichts, was dieses Verhalten rechtfertigte oder entschuldigte. Die Frage war bloß, wie er darauf reagieren sollte.
Da standen verschiedene Wege offen, daran mangelte es nicht. Aber es war kaum vorauszusehen, wohin sie zum Schluss führen würden. Und zwar nicht nur ihn selber, denn Stefán machte sich seinetwegen die geringsten Sorgen. Ragnhildur verdiente gut, in den letzten Jahren sogar besser als er, und er selber war alt und erprobt genug, um eine anständige Pension beanspruchen zu können, selbst wenn er sich auf der Stelle in den Ruhestand versetzen ließ. Zudem hatte er auch lange genug mit der Idee geliebäugelt, den ganzen Kram hinzuschmeißen und sich irgendeine angenehme Bürotätigkeit zu suchen, die es ihm ermöglichte, mehr Zeit mit den Enkelkindern einerseits und andererseits im Garten, auf dem Sofa und im Bett zu verbringen.
Nein, ginge es nur um seine eigene Karriere, würde er es sich nicht zweimal überlegen müssen, um jemanden loszuschicken – oder sich sogar selber auf den Weg zu machen, um Fingerabdrücke von Meister Magnús zu nehmen. Aber es gab anderes und Wichtigeres, das er nicht aufs Spiel setzen durfte, nur um des egoistischen Vergnügens willen, Svavar zu ärgern.
Deswegen galt es, bedächtig vorzugehen. Sich alles sehr genau durch den Kopf gehen zu lassen, bevor er die nächsten Schritte in die Wege leitete. Und da gab es nur einen Rat: Er musste nach Hause und in den Garten, Regen hin oder her.
*
Úlfur fühlte sich miserabel. Ihm war kalt, er hatte Hunger, er war gestresst und überdies verkatert.
»Was hast du mitgebracht?«, fragte er mit zittriger Stimme. Er riss Tinna, die besorgt um sich blickte, die Tüte aus den Händen. Was sie sah, gefiel ihr nicht. Die Wände hatten Risse, die Fensterscheiben waren zum großen Teil kaputt, und das dämmrige Licht drinnen konnte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der Boden im wahrsten Sinne des Wortes beschissen war. Es handelte sich zwar nur um Schafsmist, und wohl auch keinen frischen, aber trotzdem war es Mist.
»Hier kannst du auf keinen Fall bleiben, Úlfur, du holst dir hier eine Lungenentzündung und was sonst noch. Wo schläfst du überhaupt?«
»Dahinten ist eine Scheune«, sagte Úlfur, »und da gibt es noch Heu. Uraltes zwar, aber immerhin, es ist warm. Ey, es ist warm«, wiederholte er, während er in der Tüte wühlte, bis er endlich das fand, wonach er suchte. » Nice «, sagte er und schraubte den Deckel von einer dreieckigen Whiskyflasche.
»Hast du nicht meinen Schlafsack und meinen Anorak und das alles mitgebracht?«, fragte er. Nach dem ersten Schluck fühlte er sich wieder fit. »Und was mehr zu futtern als das da?« Er stieß mit
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