Josepsson, Aevar Örn
Wohnung von Ólafur betreten hat oder da herausgekommen ist? Oder vielleicht auch nur vor der Tür gestanden und geklopft hat?«
»Nein. Im Augenblick jedenfalls nicht. Ich werde meinen Mann fragen, wenn er nach Hause kommt.«
»Tu das. Aber was ist mit dem Geruch? Habt ihr im letzten Jahr nie irgendeinen seltsamen Geruch hier verspürt?«
»Schlimmer als gewöhnlich, meinst du?«, fragte die Frau, und ihr Gesicht verzerrte sich, als ihr plötzlich klar wurde, wonach Katrín eigentlich gefragt hatte. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und starrte Katrín mit weit aufgerissenen Augen an. »Du meinst …«
Katrín nickte.
»Großer Gott, jetzt, wo du das sagst …« Die Frau erbleichte und zog Katrín mit auf den Flur. »Du riechst das doch auch, oder nicht?« Das konnte Katrín nicht leugnen. »So riecht es hier immer. Ich weiß nicht, wie oft wir uns schon beschwert haben, aber daran ändert sich nie etwas. Voriges Jahr wurde unten im Keller sogar eine neue Klappvorrichtung für den Müllschlucker eingebaut. Irgendwann im letzten Frühjahr, im Mai oder Juni, glaube ich, da war der Gestank nämlich ganz besonders schlimm.« Sie schluckte mehrmals. »Wir … Uns ist nicht eingefallen, dass … Wir sind davon ausgegangen, dass der Geruch aus dem Müllschlucker kam, aber es war dann wohl …?«
Katrín nickte. »Sehr wahrscheinlich.«
»Mein Gott, ich glaube, ich muss … ich …« Sie glättete unentwegt unsichtbare Falten in ihrem Kostüm und starrte wie hypnotisiert auf ihre Schuhe.
»Wir melden uns, wenn wir noch weitere Fragen haben«, sagte Katrín kurz angebunden. Sie ging weiter zur nächsten Wohnungstür, wo sich die gleiche Szene in nahezu allen Einzelheiten wiederholte, abgesehen davon, dass sie jetzt einem untersetzten Mann mittleren Alters mit schütterem Oberlippenbart gegenüberstand, der sich die seitlichen Haare über die Glatze gekämmt hatte.
*
»Nein«, erklärte Svavar nachdrücklich. »Ihr werdet nichts unternehmen. Dazu besteht noch kein Anlass, und den wird es hoffentlich auch nie geben. Úlfur gehört zum Abschaum der Gesellschaft, er ist ein mehrfach vorbestrafter Krimineller. Sogar die isländische Schmutzpresse hütet sich davor, Leuten wie ihm Glauben zu schenken und Geschichten und Unterstellungen dieser Art in Umlauf zu bringen, und wir lassen uns erst recht nicht davon beeinflussen. Ihr braucht nichts zu fürchten.«
»Aber trotzdem«, wandte Ari ein, »was ist mit …«
»Hör dir an, was Svavar sagt«, unterbrach ihn sein Bruder und klopfte Ari väterlich auf die Schulter. »Er hat vollkommen Recht. Wer glaubt denn einem solchen Mann? Einem verkommenen und entarteten Ausgesandten des Antichristen glauben doch nur diejenigen, die seinesgleichen sind. Und was geht uns das überhaupt an, was irgendwelche Leute glauben? Gar nichts, mein lieber Bruder, überhaupt nichts.«
Ari wich zurück und sah seinen Bruder verstört an. »Magnús«, sagte er, »was soll das denn. Es geht hier nicht um die Zeitungen oder irgendwelche Leute. Wir können nicht einfach der Polizei etwas vorlügen, als ob …«
Magnús legte einen Finger an die Lippen, um Ari zum Schweigen zu bringen, und sah Svavar entschuldigend an.
»Manchmal fürchte ich, dass mein lieber Bruder nicht stark genug im Glauben ist«, sagte er, während er Ari bei den Schultern packte und ihn zwang, ihm in die Augen zu sehen. »Du vergisst, dass wir der Polizei die Wahrheit gesagt haben. Oder habe ich da etwas missverstanden, hast du der Polizei etwa nicht die Wahrheit gesagt?« Ari senkte beschämt den Kopf. »Na also«, sagte Magnús. »Und nun hat uns die Polizei gesagt, was wir in Fortsetzung dessen von uns geben sollen.« Er sandte Svavar über die Schulter seines Bruder hinweg ein dankbares Lächeln, bevor er fortfuhr. »Und außerdem arbeiten wir nach göttlichem Gesetz und nicht nach menschlichem, das darfst du nie vergessen«, sagte er. Um sicherzustellen, dass Ari begriff, worum es ging, schüttelte er seinen Bruder. Ari kapitulierte. Er hatte größte Lust, seinen Bruder zu fragen, ob er der Polizei die ganze Wahrheit gesagt hatte, traute sich aber nicht. Nicht in Anwesenheit von Svavar.
»Du kennst ihn, Meister«, sagte Svavar, nachdem Ari gegangen war. »Was glaubst du selber? Ich weiß, er ist dein Bruder, aber ich muss trotzdem fragen – kann man ihm vertrauen?«
Magnús setzte sich in den ehrwürdigen tiefen Ledersessel unter der Lampe in der Ecke und blickte mit gerunzelter Stirn vor sich hin. »Ich weiß
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