Joshua Fantasio & Kalitos Legende und der schwarze Zeitmesser (German Edition)
basteln.“
Joshua schaute seine Tante feindselig an, aber er erwiderte nichts dazu.
„Wie schön, dass wir alle hier zusammen sind“, fuhr Mathilda rasch dazwischen. „Ich schlage vor, wir frühstücken erst einmal und stärken uns für den Tag.“
Nach dem gemeinsamen Frühstück rannte Joshua nach draußen und öffnete herzklopfend den Briefkasten. Aber der Blechbehälter war leer. Enttäuscht, aber längst noch nicht hoffnungslos, schloss er die silberne Klappe wieder. Er hatte ja noch den ganzen Tag Geburtstag, dachte er sich, also gab es noch längst keinen Anlass traurig zu sein.
Während des Nachmittags kontrollierte er noch weitere fünf Mal e den Postkasten, aber er war immer leer gewesen. Je später der Tag wurde und je näher der Abend rückte, desto größer wurde seine Enttäuschung. Er war sich dieses Jahr so sicher gewesen, endlich das ganze Stück von seiner eigenen Geschichte zu erfahren. Musste er etwa noch ein weiteres Jahr warten? War er etwa immer noch nicht alt genug? Und der Pirat hatte sich auch nicht mehr gezeigt. Wie sollte er ihn überhaupt finden? Aber vielleicht wollte der magische Kapitän ihn nun auch gar nicht mehr wiedersehen, jetzt wo sein gefiederter Begleiter tot war.
Fragen über Fragen drehten sich in seinem Kopf, und je weiter die Sonne sich dem Horizont näherte, desto sicherer wurde er sich, dass er nicht einmal mehr eine einzige von ihnen lösen würde.
Als die große Pendeluhr im Wohnzimmer sechs Uhr schlug , klingelte es an der Tür. Geschwind rannte er hinunter und verharrte einen Moment im Hausflur. Insgeheim hoffte er, dass hinter der Tür vielleicht ein großer Zauberer mit einem spitzen Hut stehen würde. Als die Klingel noch einmal durchs Haus schallte, drückte er bedächtig die Klinke hinunter.
Dahinter erschien das füllige, glockenförmige Gesicht von Tante Elizabeth. Unter ihrem Arm klemmte ihr weißer Pudel Ruby.
„ Mein lieber Joshilein, ach, bist du aber groß geworden!“, begrüßte sie ihn und gab ihm einen verschwitzten Kuss auf die Wange.
Tante Elizabeth war die zweite Schwester von Mathilda , und sie war mindestens genauso eingebildet und aufgeblasen wie Tante Daisy. Ein lilafarbenes Kleid zierte ihren runden Körper und an ihren Ohren schimmerten gleichfarbige, protzige Ohrringe. Ihre rötlichen Haare trug sie aufgesteckt und ihr blauer Lidschatten strahlte völlig übertrieben. Im Großen und Ganzen erweckte sie einen sehr ulkigen Eindruck, fand Joshua.
Er wischte sich den roten Lippenstift von der Wange und versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Tante Elizabeth drückte dem Geburtstagsknaben eine Karte in die Hand.
„Das ist eine kleine Aufmerksamkeit für dich. Es sind nur ein paar Geldscheinchen drin“, sagte sie hochfahrend und prüfte mit einer Hand, ob ihre turmähnliche Haarpracht noch richtig saß.
Joshua bedankte sich, während seine Tante sich in einem kleinen Klappspiegel betrachtete.
„Ach, ist nicht der Rede wert“, sagte sie knapp und schritt an ihm vorbei.
Und damit war die Geburtstag srunde für dieses Jahr komplett, dachte Joshua seufzend und warf einen letzen Blick aus der Tür. Das rote Fähnchen am Briefkasten war noch immer nach unten geklappt, auch sonst war niemand da, nur ein paar einsame Blätter huschten ziellos durch den Garten. Trübsinnig schloss er die Tür wieder.
Eine halbe Stunde später saßen alle Geburtstagsgäste am großen Wohnzimmertisch und labten sich an einer üppig gefüllten Tafel. Mathilda hatte dieses Mal eine gebratene Gans, gefüllt mit Käse und großen Speckwürfeln, auf den Tisch gezaubert. Der ausgeschlachtete Vogel schwamm in einer Lache aus Fett, aber die Gäste ließen es sich herzhaft schmecken. In Joshuas Verwandtschaft waren fast alle Leute an gutbürgerliche Küche gewöhnt, nur er selbst machte da eine Ausnahme und war im Gegensatz zu seiner dicken Familie immer dünn geblieben. Auch Kevin-Wilbert hatte schon ein ganz rundes Gesicht bekommen. Er saß neben Joshua und stopfte sich gerade einen großen Kartoffelkloß in den Mund. Die drei Frauen, Mathilda, Daisy und Elizabeth quatschten kreischend über belanglose Themen, während Bernhard und Onkel Homer sich am anderen Ende des Tisches leise über Pferderennen unterhielten.
Als die Pendeluhr zur neunten Abends tunde schlug, klatschte Mathilda freudvoll in die Hände.
„Neun Uhr , meine Lieben, es wird Zeit für die traditionelle Sektrunde“, sagte sie und stand schwungvoll auf. Frohlockend
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