Joshua Fantasio & Kalitos Legende und der schwarze Zeitmesser (German Edition)
„Das heißt, Sie haben meine Eltern gekannt, Mister?“
„ Du kannst mich ruhig Benjamin nennen. Und ja, ich habe deine Eltern gekannt, aber das muss noch Zeit haben, es gibt wichtigeres zu besprechen. Zurück zu deiner ersten Frage, was mit dir geschehen wird. Nun, wenn du es unbedingt wissen möchtest...“ Joshua nickte. „…muss ich dir leider sagen, dass ich dir das eigentlich gar nicht sagen kann. Über dein Schicksal wird der Zauberrat entscheiden und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie er sich entscheiden wird.“
„Was soll denn über mich entschieden werden?“, bohrte Joshua nach und Benjamin fing an zu grinsen.
„Nun, erzähle es niemandem weiter, was ich dir jetzt sage.“ Joshua schüttelte den Kopf. „Und erinnere dich an meine Worte, du wirst eine schlaflose Nacht haben.“ Benjamin holte tief Luft. „Der Zauberrat muss eine gewichtige Entscheidung treffen, wie sie seit langem nicht mehr getroffen worden ist. Er muss entscheiden, ob du zu einem Zauberer ausgebildet wirst oder nicht.“ Der Bote hob vieldeutig seine Brauen. „Falls ja, wirst du zur Zauberschule nach Zomana reisen, aber falls nicht, wirst du morgen früh zu Hause bei deinen Eltern in deinem Bettchen erwachen und dich an all das hier nicht mehr erinnern können.“
In Joshuas Augen bildet en sich kringelnde Fragezeichen und ein bedrücktes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. „Ich würde mich an nichts mehr erinnern?“, wiederholte er verworren den letzten Satz.
„ Oh, die Magie ist vielfältig und sie kann dich auch Dinge vergessen lassen.“ Benjamin setzte eine einfühlsame Miene auf. „Ich darf dir das alles gar nicht erzählen. Der Rat wird noch heute Abend beginnen. Einige der Ratsmitglieder sind auch schon eingetroffen, die restlichen sind auf dem Weg hierher. Sie werden noch heute oder in der Nacht eine Entscheidung über dein Schicksal fällen. Ich habe leider keinen Einfluss auf das Urteil, aber ich hoffe, dass sie weise handeln und das Richtige tun werden.“ Benjamin schaute ihn vielsagend an. „Zerbrich dir nicht den Kopf, Joshua, wir sehen uns morgen früh… hoffe ich .“ Die letzten beiden Worte hatte er nur noch ganz leise geflüstert. „Grimbi wird heute Nacht vor deiner Tür Wache halten“, sagte er noch. Dann verabschiedete er sich und entschwand durch den Ausgang. Und Joshua war allein.
Er legte seinen Koffer behutsam auf das Bett und machte einen kleinen Rundgang durch sein vorübergehendes Zuhause. Auf einmal war er überhaupt nicht mehr müde. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn er auf Benjamin gehört hätte. Er musste unentwegt an die Zauberschule denken und an den Zauberrat, der in jenen Momenten zu tagen beginnen und über sein Schicksal entscheiden würde. Und wenn sie sich gegen ihn entscheiden würden, dann würde er morgen früh in seinem Bett am Brookmanns Park aufwachen und sich an all das nicht mehr erinnern. Diese Vorstellung war so unglaublich und unheimlich für ihn, dass er versuchte, sie einfach wegzuschieben, aber es funktionierte nicht. Die Gedanken pochten weiter in seinem Kopf und schienen ihn gelegentlich zu pieksen und malträtieren und ließen ihn nicht mehr zur Ruhe kommen.
Vorsichtig zog er eine der Gardinen beiseite und warf einen Blick durch die Glastür und über den kleinen Balkon nach draußen. Mittlerweile war ein wunderschöner Sternenhimmel aufgegangen. Die Himmelslichter glitzerten wie Diamanten am Firmament und waren von den echten Sternen oben auf der Erde nicht zu unterscheiden. Gelegentlich schoss sogar eine Sternschnuppe über den tiefen Horizont, dort wo Skryyfalls Stadtlichter funkelten und kleine weiße Rauchsäulen aus den Schornsteinen der Häuser emporstiegen.
Joshua wollte hier bleiben, in dieser neuen Welt, obwohl er sie ja noch gar nicht richtig kannte und überhaupt nicht wusste, was ihn alles erwarten würde und welche Gefahren sie vielleicht verbarg. Der schreckliche Gedanke, dass er morgen früh aufwachen und sich an nichts mehr erinnern könnte, sollte ihn noch lange wachhalten.
Er ließ die Gardine zurückfallen und marschierte mit neugierigem Blick an den hochgestapelten Bücherr eihen vorbei. Die meisten trugen magische Symbole, die er nicht lesen konnte; andere waren so verwittert und zerkratzt, dass man die Buchstaben und Ziffern auf den Buchrücken nur noch erahnen konnte, und andere wiederum hatten ein solches Alter erreicht, dass sie schon beim bloßen Anblick zu zerfallen drohten.
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