Joshua Schreck: Fischer. Nur für Jungs (German Edition)
eine Sekunde stehen. Durch die Glasscheibe sah ich den Zombie, der wie ein hawaiianischer Cowboy mit Sinn für teuren Schmuck aussah. Er trug eine Holzbank auf den Schultern und torkelte auf eine Fensterreihe zu. Ich wollte mir lieber nicht ausmalen, was wohl passieren würde, wenn er durchs Fenster in einen der Klassenräume eindrang.
Milton öffnete die Tür, und ich trat mit dem Überraschungsfleisch nach draußen.
»Hey du!«, rief ich.
Der Zombie wandte sein Gesicht in meine Richtung, und ich spürte, wie mir ein Schauer den Nacken hinablief. Egal wie oft ich schon Zombies begegnet war, jeder Blickkontakt mit ihnen machte mir Angst.
Ich schluckte die Angst hinunter und trat einen Schritt nach vorn.
»Ich hab dir was mitgebracht!«, sagte ich und hielt den Topf Überraschungsfleisch hoch.
Der Zombie ließ die Bank fallen. Dann leckte er sich die Lippen, kam auf mich zu und wurde mit jedem Schritt immer schneller. Ich stellte den Topf auf den Boden, drehte mich um und rannte weg, ehe er eine Chance hatte, mich zu seinem Nachtisch zu machen.
Zum Glück hatte Sophie für den Notfall immer ihr Handy dabei. Und das hier war wirklich ein Notfall. Ich lieh es mir aus, um meine Eltern anzurufen, die sagten, sie würden so schnell wie möglich zur Schule kommen. Doch als ich wieder hinter der Tür war und den Zombie beobachtete, zweifelte ich, ob das schnell genug sein würde.
Der Zombie fasste in den Topf und zog eine Handvoll braune Pampe heraus. Nachdem er einmal daran geschnuppert hatte, machte er ein angewidertes Gesicht. Offensichtlich war auch er kein Fan von Überraschungsfleisch.
Nach wenigen Minuten war ihm sichtlich jedes Interesse an dem Zeug vergangen, das ich ihm hingestellt hatte. Er marschierte über den Schulhof zurück und schnappte sich wieder die Bank. Wenn meine Eltern nicht bald kamen, würde ihr Zombie ziemlichen Schaden anrichten.
Ich hatte eigentlich keine Lust, in meiner Mittagspause gegen einen Zombie zu kämpfen, doch inzwischen war er dicht vor dem Fenster, und ich sah keine andere Möglichkeit mehr, ihn aufzuhalten. Also öffnete ich die Tür erneut und trat auf den Schulhof. Doch weiter kam ich nicht.
Gerade als der Zombie die Bank hochstemmte, um sie ins Fenster zu schleudern, hallte ein Geräusch über den Hof, und ein kleiner Pfeil ragte aus dem Hals des Zombies. Der Zombie fasste mit einer seiner grauen Hände nach dem Pfeil, taumelte noch ein paar Sekunden umher, ehe er die Bank fallen ließ und zusammenbrach.
Ein paar Sekunden später senkten sich zwei Flugroller zwischen den Dächern herab und landeten auf dem Schulhof. Mom und Dad hatten ihre Uniform an, auch wenn ich sehen konnte, dass sie sich in großer Eile umgezogen hatten, denn Dad trug sogar noch seine Hausschuhe.
Mom schob ihr Betäubungsgewehr zurück in den Schaft und stieg dann von ihrem Roller. Mit einem kurzen Blick aus dem Augenwinkel erkannte sie mich auf der anderen Seite des Schulhofs. Dann machten sich Dad und sie an die Arbeit.
Der Zombie lag mit dem Gesicht nach unten im Gras und schnarchte laut. Sein Cowboyhut und die Brille lagen ein paar Schritte weiter. Während Mom die Beine anhob, zog Dad ein Netz darunter hindurch und wickelte es um den Zombie. Dann befestigte er das Netz an den Schutzblechen ihrer Roller.
Wie immer nach dem Umgang mit Zombies, zog Mom nach getaner Arbeit eine Flasche Desinfektionsmittel aus ihrem Mehrzweckgürtel und säuberte ihre Hände, ehe sie die Flasche an Dad weiterreichte. Danach stiegen sie wieder auf ihre Flugroller. Sie zählten bis drei, zogen gleichzeitig an den Lenkern ihrer Roller und stiegen nach oben.
Mit dem Zombie, der in seinem Netz zwischen ihnen hing, schwebten sie höher und höher, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
Es war nicht üblich für meine Eltern, eine Schule voller Kinder davor zu bewahren, von einem Zombie verschlungen zu werden. Und ich muss zugeben, dass ich stolz auf sie war. Ausnahmsweise waren meine Mom und mein Dad nicht die, die Chaos und Verwüstung anrichteten, sondern die, die die Welt ein bisschen sicherer machten.
Natürlich wäre der Zombie nie in die Schule eingedrungen, wenn er nicht vorher meinen Eltern entlaufen wäre.
Aber na ja – nobody is perfect.
Über Lee Bacon
Lee Bacon wuchs in Texas auf, und seine Eltern haben nicht ein einziges Mal versucht, die Erde zu vernichten (jedenfalls nicht dass er wüsste). Er lebt in Brooklyn, New York. ›Joshua Schreck‹ ist sein erstes Buch.
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