Joy Moci - Ab jetzt wird alles anders
irgendein Getier wahrscheinlich im Gestrüpp bewegte.
In dieser Nacht hatte Robert sich wieder auf eine spannende Reise begeben.
Er befand sich bei den Indianern, den Lakotas. Ihre Weisheit und ihre Lebensfreude hatten ihn schon immer fasziniert. Er war nach Nordamerika gereist, um von ihnen zu lernen, wie der Mensch glücklich werden kann. Bei seiner Ankunft war alles friedlich gewesen. Er erreichte zur Morgendämmerung das Indianerdorf und war mächtig gespannt, welche Person ihn in das uralte Wissen einweihen würde. Er hatte seinen Laptop mitgenommen, um sich wichtige Notizen zu machen und diese dann bei Alliventi vorzustellen. ,Ob die hier wohl eine Steckdose haben?‘, dachte er. ,Ich weiß nicht, wie lange dieser Akku hält.‘
Zu seiner Verwunderung empfing ihn eine ältere Frau. Sie musste mindestens 85 gewesen sein. Sie begrüßte ihn mit einem herzlichen Lächeln und stellte sich vor: „Ich bin Anpa wi, das bedeutet Sonne. Ich werde Sonne in Dein Leben bringen. Ich werde es mit Licht umhüllen.“
„ Ich bin Robert“, stellte er sich höflich vor.
„ Ich weiß.“ Anpa wi nickte und bat Robert, am Lagerfeuer Platz zu nehmen.
Robert hatte mächtig Herzklopfen, irgendwie war ihm die Situation unheimlich. Mit Laptop bei einem Indianerstamm, am Lagerfeuer mit einer alten Frau, die Anpa wi hieß. Ganz normal war das auf jeden Fall nicht.
Er war Anpa wi gegenüber etwas skeptisch. Robert war in das Dorf gekommen, weil er etwas suchte, er wollte etwas lernen. In der westlichen Welt konnte man von solch alten Menschen kaum noch etwas lernen. So hatte er es jedenfalls erfahren. Im normalen Berufsalltag gehörte man mit Mitte 50 zu den Alten, die sowieso bald in den Vorruhestand gingen. Ihre Weisheit zählte in der Wirtschaftswelt nicht. Ihr Wissensvorsprung wurde kaum wahrgenommen.
Es würde nicht mehr lange dauern, dann hätte auch er dieses Alter erreicht. Würde man ihn dann noch brauchen? Seinen Rat noch hören wollen? Robert hatte viele Fragen, doch er wollte sich auf das Wesentliche seines Besuches konzentrieren. Nicht alles auf einmal, Step by Step.
Robert hatte Sehnsucht nach mehr Leben, nach einem anderen Leben. Nach was hatte er eigentlich Sehnsucht? Er wusste es nicht. Es sollte auf jeden Fall anders werden, sein Leben.
‚ Wokini‘ nannten es die Indianer. ‚Wokini‘ bedeutete für sie ‚neues Leben‘, ‚neues Glück‘.
„ Was kann ich für dich tun“, fragte ihn die Alte sanft.
„ Ich suche Wokini, ich bin einen langen Weg in meinem Leben gegangen, und ich habe bisher mein Ziel immer verfehlt. Und so habe ich beschlossen, euch zu besuchen und von euch zu lernen.“
Die alte Frau saß ruhig und gelassen am Lagerfeuer. Ihre Ausstrahlung hatte genau das, was ihn faszinierte. Er fühlte Frieden in seinem Herzen. Dieses ständige Nicht-ankommen, nicht schnell genug zu sein und immer schon einen Schritt weiter als das, was es gerade zu tun gab, das war vollkommen verschwunden. Dabei war er doch gerade erst angereist. Er befand sich seit zehn Minuten in dieser Welt. ‚Wie mächtig es sein kann, wenn man die Umgebung wechselt‘, dachte Robert bei sich.
„ Sei entspannt, weißer Mann, sei ganz entspannt und fühle die Stille der Nacht“, wies ihn die Alte an.
Sie hätte es nicht zu sagen brauchen, Robert war selten so entspannt wie heute. Neu für ihn war, dass er in diesem entspannten Zustand vieles völlig anders wahrnahm. Er fühlte die Wärme des Feuers, beobachtete den Tanz der Glut.
Sah über sich die Sterne, betrachtete den Mond und war sehr verwundert, wie hell die Dunkelheit sein kann, wenn man die Augen öffnet.
„ Sage mir, weißer Mann, wohin wollt ihr? Wohin führt euch zivilisierte Menschen euer Weg? Wann seid ihr auf eurer Reise angekommen?“
Robert war verblüfft. ‚Wohin will ich? Wann bin ich angekommen? Wohin führt mich mein Weg?‘ Wollte er überhaupt irgendwo hin? Hatte er überhaupt eine konkrete Vorstellung seines Weges?
„ Wann weiß ich, dass ich angekommen bin?“
Anpa wi nickte, als wenn sie sagen wollte: ,Ich weiß. Ich weiß, dass ihr Weißen weder einen Weg habt noch ein Ziel. Ihr wisst nicht, wohin ihr wollt, und trotzdem rennt ihr den ganzen Tag.‘
Robert hatte keine Ahnung, wie er dies beantworten sollte. ‚Die Weißen haben keine Antworten auf solche Fragen‘, dachte er bei sich. Und er fühlte, dass Anpa wi wusste, dass die Menschen der heutigen Zeit sich weder solche Fragen
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