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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihr Mund geschmeckt hatte. Vor allem an ihre Augen dachte ich und an ihre Haare, die auf dem Kissen aufgefächert gewesen waren. Ich liebte sie nicht, wie ich Wendy geliebt hatte – so heftig und dumm liebt man nur einmal –, aber ich liebte sie. Damals wie heute. Für ihre Zärtlichkeit vor allem und für ihre Geduld. Irgendwo mag es einen jungen Mann geben, der leidenschaftlicher in die Geheimnisse der Lust eingeweiht worden ist, aber liebevoller ganz bestimmt nicht. Schließlich schlief ich ein.
    *
    Irgendwo unter mir klapperte ein Fensterladen und weckte mich. Ich griff nach meiner Uhr, die auf dem Nachttisch lag – es war Viertel vor eins. Bevor das Geklapper nicht aufhörte, würde ich wohl kaum wieder einschlafen können, also zog ich mich an und stapfte zur Tür, ging dann aber noch einmal zum Schrank zurück, um meine Öljacke zu holen. Unten im Erdgeschoss blieb ich einen Moment stehen. Aus dem Schlafzimmer neben der guten Stube hörte ich Mrs. S. laut und anhaltend Holz sägen. Kein klappernder Fensterladen würde sie aus dem Schlaf reißen.
    Wie sich herausstellte, brauchte ich die Öljacke nicht. Noch hatte es nicht angefangen zu regnen, allerdings wehte ein ziemlich starker Wind – um die vierzig Sachen hatte der bestimmt schon drauf. Aus dem leisen, stetigen Rollen der Brandung war ein gedämpftes Grollen geworden. Ich fragte mich, ob die Wetterfrösche Gilda nicht vielleicht unterschätzt hatten, dachte dabei an Annie und Mike in dem Haus den Strand hinunter und verspürte einen ersten Anflug von Unbehagen.
    Ich fand den Fensterladen, der sich gelöst hatte, und befestigte ihn. Dann ging ich wieder hinein, tappte in mein Zimmer hinauf und legte mich hin. Ich konnte jedoch nicht wieder einschlafen. Der Fensterladen machte keinen Lärm mehr, aber gegen den Wind, der wehklagend um die Dachtraufe fuhr (und bei jeder Bö zu einem leisen Schrei anschwoll), konnte ich nichts tun. Ebenso wenig konnte ich mein Gehirn abstellen, nachdem es jetzt wieder in Fahrt gekommen war.
    Es ist nicht weiß, dachte ich. Ich wusste nicht, was das bedeutete, aber ich wollte es wissen. Da musste es doch einen Zusammenhang mit etwas geben, was ich heute im Park gesehen hatte!
    Auf dir liegt ein Schatten, junger Mann. Rozzie Gold hatte das bei unserer ersten Begegnung gesagt. Ich fragte mich, wie lange sie schon in Joyland angestellt war und wo sie vorher gearbeitet hatte. War sie eine Schaustellerin von altem Schrot und Korn? Und spielte das eine Rolle?
    Eines der Kinder hat das zweite Gesicht. Welches, weiß ich nicht.
    Ich wusste es. Mike hatte Linda Gray gesehen. Und er hatte sie befreit. Er hatte ihr, wie es so schön heißt, die Tür gewiesen. Die sie allein nicht hatte finden können. Warum sonst hatte sie sich bei ihm bedankt?
    Ich schloss die Augen und sah Fred an der Schießbude stehen. In seinem Anzug und mit dem Magierzylinder hatte er prächtig ausgesehen. Ich sah Lane, wie er eine der .22er über die Theke reichte, die an der Theke festgekettet waren.
    Annie: Wie viel Schuss?
    Fred: Zehn pro Clip. So viel Sie wollen, Ma'am. Heute ist Ihr Tag.
    Mir stockte der Atem, als in meinem Kopf plötzlich mehrere Dinge gleichzeitig mit lautem Knirschen einrasteten. Ich setzte mich auf und lauschte dem Wind, der aufgewühlten Brandung. Dann schaltete ich das Deckenlicht ein und holte Erins Mappe aus der Schreibtischschublade. Legte die Fotografien wieder auf dem Boden aus, eine neben die andere. Mein Herz pochte laut. Die Bilder waren gut, aber das Licht nicht. Ich zog mich zum zweiten Mal an, schob alles in die Mappe zurück und eilte die Treppe hinunter.
    Über dem Scrabble-Tisch in der Mitte des Wohnzimmers hing eine Lampe, und ich wusste von den vielen Abenden, an denen ich mich hier blamiert hatte, dass sie ein äußerst helles Licht gab. Das Wohnzimmer und der Flur, der zu den Räumen von Mrs. S. führte, waren durch eine Schiebetür voneinander abgetrennt. Ich schloss sie, damit das Licht meine Vermieterin nicht störte. Dann schaltete ich die Lampe an, stellte den Scrabble-Kasten auf den Fernseher und legte die Fotos nebeneinander. Ich war zu aufgewühlt, mich hinzusetzen. Stattdessen beugte ich mich über den Tisch und schob alles hin und her. Gerade wollte ich das zum dritten Mal tun, als meine Hand mitten in der Bewegung erstarrte. Ich sah es. Ich sah ihn. Kein Beweis, der vor Gericht standhalten würde, das nicht, aber mir genügte er. Meine Knie gaben nach, und ich setzte mich nun doch hin.
    Das Telefon, mit

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