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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Allererstes weggeben. Die Versuchung wäre zu groß.«
    »Mike würde bestimmt nicht wollen …«
    »Nein, natürlich nicht, das weiß ich, aber es dreht sich nicht alles um ihn. Wenn ich – wie mein ach so heiliger Vater – glauben könnte, dass ich Mike nach meinem Tod vor den güldenen Himmelstoren wiedersehe, wäre das eine Sache. Aber ich glaube es nicht. Als ich ein kleines Mädchen war, hab ich's wirklich versucht, aber es ging einfach nicht. Der liebe Gott und der Himmel sind mir ungefähr vier Jahre länger erhalten geblieben als der Osterhase, aber dann war damit Schluss. Ich glaube, dass dort nur Finsternis auf uns wartet. Keine Gedanken, keine Erinnerungen, keine Liebe. Nur Finsternis. Deshalb fällt es mir auch so schwer, das, was gerade geschieht, zu akzeptieren.«
    »Mike weiß, dass da mehr ist als nur Finsternis«, sagte ich.
    »Was? Warum? Wie kommst du darauf?«
    Weil sie da war. Er hat sie gesehen, und er hat sie gehen sehen. Weil sie sich bedankt hat. Und ich weiß es, weil ich den Haarreif gesehen habe und weil Tom sie gesehen hat.
    »Frag ihn«, sagte ich. »Aber nicht heute.«
    Sie stellte ihre Cola weg und musterte mich eingehend. Dann lächelte sie, und um die Mundwinkel bildeten sich wieder Grübchen. »Nachschlag hattest du ja schon. Aber du hast nicht zufällig immer noch Hunger?«
    Ich stellte meine Cola neben das Bett auf den Boden.
    »Jetzt, wo du's sagst …«
    Sie breitete die Arme aus.
    *
    Das erste Mal war beschämend. Das zweite Mal war gut. Das dritte Mal … was sage ich, aller guten Dinge sind drei.
    *
    Während Annie sich anzog, wartete ich im Wohnzimmer. Als sie nach unten kam, hatte sie wieder Jeans und Pullover an. Ich musste an den blauen BH denken, den sie darunter trug, und bei Gott, wenn sich da nicht wieder etwas regte.
    »Alles klar zwischen uns?«, fragte sie.
    »Ja, auch wenn ich mir mehr wünschen würde.«
    »Ich mir auch, aber mehr ist einfach nicht drin. Wenn du mich so sehr magst wie ich dich, dann belässt du es dabei. Geht das?«
    »Ja.«
    »Gut.«
    »Wie lange bleiben du und Mike noch hier?«
    »Falls nicht die ganze Villa heute Nacht abhebt, meinst du?«
    »Das passiert schon nicht.«
    »Eine Woche. Ab dem Siebzehnten hat Mike in Chicago eine Reihe von Terminen bei Spezialisten, und ich möchte, dass wir uns bis dahin eingelebt haben.« Sie holte tief Luft. »Und ich will mit seinem Großvater reden. Über einen Besuch. Dafür müssen wir uns auf ein paar Grundregeln einigen. Dass Jesus außen vor bleibt, zum Beispiel.«
    »Sehe ich dich noch mal, bevor ihr geht?«
    »Ja.« Sie nahm mich in die Arme und küsste mich. Dann trat sie einen Schritt zurück. »Aber nicht so. Das würde alles zu sehr durcheinanderbringen. Ich weiß, dass du das einsiehst.«
    Ich nickte. Ich sah es ein.
    »Du gehst jetzt lieber, Dev. Und vielen Dank. Es hat Spaß gemacht. Das Beste haben wir uns für die letzte Runde aufgehoben, was?«
    Wohl wahr. Wohl wahr. »Ich wünschte, ich könnte mehr tun. Für dich. Für Mike.«
    »Ich auch«, sagte sie. »Aber das ist nicht die Welt, in der wir leben. Komm morgen zum Abendessen vorbei, wenn das Wetter nicht zu schlecht ist. Mike freut sich bestimmt.«
    Sie sah wunderschön aus, wie sie da stand, in Jeans und barfuß. Ich hätte sie am liebsten in die Arme genommen, hochgehoben und einer strahlenden, sorglosen Zukunft entgegengetragen.
    Stattdessen ließ ich sie dort zurück. Das ist nicht die Welt, in der wir leben, hatte sie gesagt, und wie recht sie hatte.
    Wie recht sie hatte.
    *
    Etwa hundert Meter den Beach Row runter, auf der landeinwärts gelegenen Seite der zweispurigen Straße, befanden sich ein paar kleine Läden, die zu schick waren, als dass man sie eine Einkaufsmeile hätte nennen können: ein Delikatessengeschäft, ein Friseursalon mit einem unmöglichen Namen, eine Drogerie, eine Bankfiliale der Southern Trust und ein Restaurant namens Mi Casa, wo, da war ich mir sicher, die vornehmen Anwohner des Beach Row essen gingen. Als ich nach Heaven's Bay fuhr, warf ich keinen einzigen Blick auf diese Läden. Falls es jemals eines Beweises bedurfte, dass mir die natürliche Begabung von Mike Ross und Rozzie Gold fehlte – das war er.
    *
    Gehen Sie früh ins Bett, hatte Fred Dean mir geraten, und das tat ich. Ich lag auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und lauschte wie schon den ganzen Sommer lang den Wellen. Dabei erinnerte ich mich daran, wie sie mich berührt hatte, wie fest ihre Brüste gewesen waren, wie

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