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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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stelzfüßigen Schritten, wie jemand, der eine kaputte Hüfte hatte oder einen kaputten Rücken. Oder beides. Er war hochgewachsen und erstaunlich dünn, ganz in Schwarz gekleidet, wodurch er eher wie ein Leichenbestatter aussah als wie der Betreiber eines Vergnügungsparks. Er hatte ein langes, blasses Gesicht, das mit Beulen und Leberflecken bedeckt war. Rasieren war für ihn bestimmt eine Tortur, aber seine Haut hätte nicht glatter sein können. Das pechschwarze Haar, dessen Farbe mit Sicherheit aus der Flasche stammte, war aus der tief zerfurchten Stirn nach hinten gekämmt. Er stand neben dem Rednerpult, die riesigen Hände, die nur aus Knochen zu bestehen schienen, vor sich verschränkt. Die Augen saßen tief in den Höhlen.
    Alter betrachtete Jugend, und der Applaus der Jugend wurde erst schwächer und erstarb dann ganz.
    Ich weiß nicht, was wir erwarteten – eine schwermütige Nebelhornstimme vielleicht, die uns erklärte, dass uns bald der Rote Tod heimsuchen würde. Dann lächelte Easterbrook, und sein Gesicht heiterte sich auf wie der Himmel, wenn die letzten Wolken am Horizont verschwanden. Ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Reihen der Saisonkräfte. Später fand ich heraus, dass Bradley Easterbrook in jenem Sommer dreiundneunzig wurde.
    »Willkommen in Joyland, alle miteinander«, sagte er. Und dann, bevor er hinter das Rednerpult trat, verbeugte er sich doch tatsächlich vor uns. Er brauchte einen Moment, um das Mikrofon einzustellen, was von einigem Rückkopplungsgejaule begleitet wurde. Dabei wandte er die ganze Zeit den Blick nicht von uns ab.
    »Ich sehe viele bekannte Gesichter, was mich jedes Mal aufs Neue freut. Den Neulingen wünsche ich, dass das der beste Sommer ihres Lebens wird – die Messlatte, nach der sie später alle ihre Arbeitgeber beurteilen. Zugegeben, das ist ein extravaganter Wunsch, aber jeder, der jahraus, jahrein einen solchen Park betreibt, sollte über eine ordentliche Portion Extravaganz verfügen. Einen solchen Job werden Sie jedenfalls nie wieder haben.«
    Er ließ den Blick über die Menge schweifen und drehte dem armen Mikrofon noch ein wenig mehr den Hals herum.
    »In wenigen Augenblicken werden Mr. Dean und Mrs. Brenda Rafferty, unsere Empfangschefin, Sie Ihrem Team zuteilen. Jedes Team besteht aus sieben Mitarbeitern, und von Ihnen wird erwartet, dass Sie sich wie ein Team verhalten und als Team zusammenarbeiten. Über die konkreten Tätigkeiten bestimmt der jeweilige Teamleiter, und das kann sich von Woche zu Woche ändern, manchmal von Tag zu Tag. Wenn Abwechslung die Würze des Lebens ist, dann wird es Ihnen in den nächsten drei Monaten daran nicht mangeln. Ich hoffe, dass Sie einen Gedanken stets im Kopf behalten, meine Damen und Herren. Kann ich mich darauf verlassen?«
    Er hielt inne, als würde er eine Antwort von uns erwarten, aber niemand sagte einen Ton. Wir sahen ihn nur an, einen steinalten Mann in schwarzem Anzug und einem weißen Hemd, das am Kragen offen stand. Als er weitersprach, hörte es sich an, als würde er mit sich selbst reden, zumindest anfangs.
    »Wir leben in einer traurigen Welt, einer Welt voller Kriege, Grausamkeit und sinnloser Tragödien. Jedes menschliche Wesen bekommt seine Portion Unglück und schlaflose Nächte serviert. Diejenigen unter Ihnen, die das noch nicht wissen, werden es noch lernen. Angesichts solcher traurigen, aber unabweislichen Tatsachen des menschlichen Daseins ist Ihnen in diesem Sommer ein unbezahlbares Geschenk gemacht worden: Sie sind hier, um Spaß zu verkaufen. Für die hart erarbeiteten Dollar, die unsere Besucher hinblättern, werden Sie Ihnen Glück bescheren. Kinder werden nach Hause gehen und von dem träumen, was sie hier gesehen und erlebt haben. Ich hoffe, Sie rufen sich das ins Gedächtnis, wenn die Arbeit hart ist, und das ist sie manchmal, oder wenn die Leute unhöflich sind, und das sind sie oft, oder wenn Sie das Gefühl haben, Ihre größten Anstrengungen würden von niemand gewürdigt. Dies hier ist eine andere Welt, eine Welt mit eigenen Sitten und eigener Sprache, die wir einfach den ›Jargon‹ nennen. Heute werden Sie damit anfangen, diesen Jargon zu lernen. Und nicht nur das, Sie werden auch lernen, Ihren Worten Taten folgen zu lassen. Das werde ich nicht erklären, denn das kann man nicht erklären; man kann es nur lernen.«
    Tom beugte sich zu mir herüber und flüsterte: »Jargon? Worte und Taten? Sind wir hier in ein Treffen der Anonymen Alkoholiker geraten?«
    Ich

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