Joyland
Schutz vor dem Sturm bietet!«
»Danke, Tom, das ist aber nett. Allerdings bekommen Sie deshalb keinen Nachlass auf die Miete.«
Wir tranken. Ich stellte mein Glas ab; der Sekt war mir schon ein klein wenig in den Kopf gestiegen. »Was meinten Sie damit – das Fell tragen?«, fragte ich.
Mrs. Shoplaw und Miss Ackerley sahen einander an und lächelten. Es war dann die Bibliothekarin, die antwortete, auch wenn es eigentlich gar keine Antwort war. »Das werden Sie schon noch herausfinden«, sagte sie.
»Bleiben Sie nicht zu lange auf«, riet uns Mrs. Shoplaw. »Sie fangen früh an. Morgen startet Ihre Karriere im Schaugeschäft durch.«
*
Wohl wahr: um sieben Uhr, zwei Stunden bevor der Park für einen weiteren Sommer die Tore öffnete. Wir schlenderten gemeinsam den Strand entlang. Die meiste Zeit redete Tom. Er redete eigentlich immer. Was uns in den Wahnsinn getrieben hätte, wäre er nicht so amüsant und unbarmherzig gut gelaunt gewesen. An der Art und Weise, wie Erin ihn ansah (die in der Brandung lief, während ihre Turnschuhe an den Fingern ihrer linken Hand baumelten), erkannte ich, dass sie ebenso verzaubert wie fasziniert war. Um diese Fähigkeit beneidete ich Tom. Er war korpulent und von irgendeinem Schönheitsideal bestimmt meilenweit entfernt, aber er war energiegeladen und konnte sich gut ausdrücken – etwas, was mir leider abging. Erinnert sich noch jemand an den alten Witz über das Filmsternchen, das so unbedarft war, dass sie mit dem Drehbuchautor ins Bett gegangen ist?
»Mann, was meint ihr – wie viel Kohle haben die Leute, denen diese Bunker gehören?«, sagte er und deutete auf die Häuser am Beach Row. Gerade stapften wir an dem großen, grünen vorbei, das wie ein Schloss aussah, aber an jenem Tag war von der Frau und dem Jungen im Rollstuhl nichts zu sehen. Annie und Mike Ross kamen erst später.
»Millionen, wahrscheinlich«, sagte Erin. »Wir sind hier nicht in den Hamptons, aber wie mein Dad sagen würde – Cheeseburger sind das auch keine.«
»Der Vergnügungspark hält die Immobilienpreise wahrscheinlich auf einem etwas niedrigeren Niveau«, sagte ich. Vor uns zeichneten sich die drei unverwechselbaren Wahrzeichen von Joyland gegen den blauen Morgenhimmel ab: Thunderball, Delirium Shaker, Carolina Spin.
»Ach was – du kapierst nicht, wie reiche Leute ticken«, sagte Tom. »Das ist, wie wenn sie auf der Straße an einem Penner vorbeikommen, der da bettelt. Die tilgen sie einfach aus ihrem Gesichtsfeld. Penner? Was für Penner? Mit dem Park ist das genauso – was für ein Park? Die Leute, denen diese Häuser gehören, leben auf einem völlig anderen Planeten.« Er blieb stehen, schirmte mit der Hand die Augen ab und betrachtete das grüne, im viktorianischen Stil errichtete Gebäude, das im kommenden Herbst eine so große Rolle in meinem Leben spielen sollte, nachdem Erin Cook und Tom Kennedy, inzwischen ein Paar, an die Uni zurückgekehrt waren. »Das wird einmal mir gehören. Und zwar … mmmm … ab dem 1. Juni 1987.«
»Ich werd den Champagner mitbringen«, sagte Erin, und wir lachten alle.
*
An jenem Morgen sah ich sämtliche Saisonkräfte, die für den Sommer in Joyland eingestellt worden waren, zum ersten und letzten Mal auf einem Haufen. Wir versammelten uns im Surf Auditorium, dem Konzertsaal, in dem all die zweitklassigen Countrybands und alternden Rockstars auftraten. Rund zweihundert dürften wir gewesen sein. Die meisten, so wie Tom, Erin und ich, waren Collegestudenten, die bereit waren, für einen Apfel und ein Ei zu arbeiten. Auch einige der Vollzeitkräfte waren anwesend, darunter Rozzie Gold, die heute ihre Zigeunerklamotten samt den riesigen Ohrringen anhatte. Lane Hardy war auf der Bühne – er stellte ein Mikrofon aufs Rednerpult und testete es, indem er mehrmals mit dem Finger dagegenklopfte. Seine Melone saß ihm schief auf dem Kopf, und ich weiß nicht, wie er mich in dem ganzen Gedränge erkannte, aber er nickte mir zu und tippte sich gegen die Krempe. Ich erwiderte die Geste.
Er beendete seine Arbeit, sprang von der Bühne und setzte sich auf den Platz, den Rozzie ihm frei gehalten hatte. Fred Dean trat mit raschen Schritten ans Mikrofon. »Setzen Sie sich, bitte setzen Sie sich. Bevor Sie Ihren Teams zugeteilt werden, möchte der Eigentümer von Joyland – Ihr Arbeitgeber – noch das Wort an Sie richten. Applaus für … Mr. Bradley Easterbrook!«
Wir klatschten folgsam, und ein alter Mann kam auf die Bühne, mit vorsichtigen,
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