Joyland
merken. Hörst du mir zu?«
Ronnie nickte. Er sah aus, als hätte er sich gern Notizen gemacht. Und als hätte er sich am liebsten hinter uns anderen versteckt.
»Erstens. Du kannst Gary oder Paps oder ›komm her, du alter Hurensohn‹ zu mir sagen, aber ich bin kein Lehrer, also verkneif dir das Mister. Zweitens. Ich will nie wieder sehen, dass du hier mit diesem albernen Schulbubenkäppi herumläufst. Drittens. Die Linie ist genau da, wo ich das sage. Das ist meine Sache, ich hab sie nämlich hier im Kooopf. « Er tippte sich gegen die von Äderchen überzogene Schläfe, damit auch wirklich jeder kapierte, was er meinte. Dann deutete er auf die Preise, die Zielscheiben und die Theke, auf der die Conies – die Tölpel – ihre Kohle abdrückten. »Das alles ist in meinem Kooopf. Die ganze Bude ist psycho. Kapiert?«
Ronnie begriff überhaupt nichts, aber er nickte umso nachdrücklicher.
»Und jetzt lass dein Schulbubenkäppi verschwinden. Besorg dir einen Joyland-Schirm oder ein Howie-Käppi. Das ist dein erster Job.«
Ronnie riss sich seine FSU-Baseballkappe vom Kopf und stopfte sie in seine Gesäßtasche. Gleich am selben Tag – keine Stunde später, wenn ich mich nicht täusche – ersetzte er sie durch eines der Howie-Käppis, die im Jargon Dogtops genannt wurden. Nachdem er dann drei Tage lang gehänselt und Grünschnabel genannt worden war, stapfte er mit seinem Dogtop raus auf den Parkplatz, suchte sich einen hübsch großen Ölfleck, warf ihn hinein und trampelte eine Weile darauf herum. Als er ihn wieder aufsetzte, sah er aus, wie er aussehen musste. Jedenfalls fast. Ronnie Houston schaffte es nie ganz, so auszusehen, wie man aussehen musste; manche Leute waren einfach dazu bestimmt, ewig und drei Tage Grünschnäbel zu sein. Ich weiß noch, wie Tom einmal zu ihm rüberschlenderte und ihm nahelegte, er müsse nur einmal kräftig draufpinkeln, um dem Dogtop den letzten Schliff zu geben. Als er sah, dass Ronnie kurz davorstand, ihn ernst zu nehmen, machte er einen Rückzieher und erklärte ihm, es würde auch genügen, ihn im Atlantik einzuweichen.
Einstweilen musterte Paps uns eingehend.
»Und wenn wir schon von hübschen Mädels reden – wir haben ja selber eins.«
Erin lächelte bescheiden.
»Hollywood Girl, Schätzchen?«
»Ja, das hat jedenfalls Mr. Dean gesagt.«
»Dann solltest du Brenda Rafferty einen Besuch abstatten. Sie ist hier die rechte Hand vom Chef und außerdem die Mama aller Mädchen im Park. Sie wird dich mit einem dieser niedlichen grünen Kleidchen ausstaffieren. Sag ihr, du willst ein besonders kurzes.«
»Den Teufel werd ich tun, Sie alter Lustmolch«, sagte Erin und brach dann zusammen mit Paps in lautes Gelächter aus.
»Kess! Frech! Gefällt mir das? Und ob! Wenn du nicht gerade Bilder von den Tölpeln schießt, dann schau hier vorbei, und ich versorg dich mit Arbeit … aber zieh dich vorher um. Du willst dir dein Kleidchen nicht mit Schmierfett oder Sägespänen versauen. Capisce?«
»Jawohl.« Erin war wieder völlig ernst.
Paps Allen schaute auf seine Armbanduhr. »Kinder, der Park öffnet in einer Stunde, und dann heißt es, während der Arbeit zu lernen. Ihr fangt mit den Fahrgeschäften an.« Er teilte uns unsere Aufgaben zu. Ich bekam das Carolina Spin, worüber ich mich freute. »Ich hab noch Zeit für ein oder zwei Fragen, aber nicht mehr. Will noch jemand was wissen, oder seid ihr bereit?«
Ich hob die Hand. Er nickte mir zu und fragte nach meinem Namen.
»Devin Jones, Sir.«
»Sag noch einmal Sir zu mir, mein Junge, und du bist gefeuert.«
»Devin Jones, Paps.« Ich würde bestimmt nicht »komm her, du alter Hurensohn« zu ihm sagen, jedenfalls noch nicht. Vielleicht wenn wir uns besser kannten.
»Na also«, sagte er und nickte. »Was drückt dich denn, Jonesy? Außer die Blase?«
»Was ist ein Schausteller von altem Schrot und Korn?«
»Na, Leute wie der alte Easterbrook eben. Sein Vater ist schon während der Wirtschaftskrise herumgetingelt, und sein Großvater hat dasselbe gemacht, damals als sie den großen Häuptling Yowlatcha zusammen mit einem Haufen anderen getürkten Indianern dem Publikum vorgeführt haben.«
»Das ist doch nicht wahr!«, rief Tom begeistert.
Paps fixierte ihn mit einem kühlen Blick, der ihm den Wind aus den Segeln nahm – was wirklich eine Leistung war. »Mein Sohn, weißt du, was Geschichte ist?«
»Äh … Dinge, die halt früher passiert sind.«
»Falsch.« Paps schnallte sich seinen Wechselgeldgürtel um.
Weitere Kostenlose Bücher