Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
erzählt es denen bestimmt nicht.« Und wenn, dann würde er dafür sorgen, dass im ersten Absatz stand, wie ich ihm den Brustkorb zerquetscht hätte.
    Lane verdrehte die Augen. »Ich vergess immer wieder, dass du in diesem Teil der Welt noch ein ziemlicher Grünschnabel bist. Die einzigen Artikel, die irgendjemand in diesem Einwickelpapier liest, sind die Polizeinachrichten und die Krankenhausberichte. Und da ist im Moment nicht besonders viel los. Weshalb ich dir den Gefallen tun und in meiner Mittagspause zum Banner rüberschlendern werde, um den Tölpeln von deinen Heldentaten zu erzählen. Die schicken bestimmt sofort jemand los, der dich interviewen soll.«
    »Eigentlich will ich gar nicht …«
    »Du meine Güte, ein Pfadfinder mit einem Verdienstabzeichen für Bescheidenheit. Spar dir das. Möchtest du, dass der Junge den Park besuchen darf?«
    »Ja.«
    »Dann lass dich interviewen. Und gib dir Mühe zu lächeln, wenn sie dich fotografieren.«
    Was ich – um kurz einen Sprung nach vorn zu machen – auch ziemlich genau getan habe.
    Während ich meinen Stuhl zusammenklappte, sagte er: »Unser Freddy Dean hätte vielleicht auch so gesagt, scheiß auf die Versicherung, lass es uns riskieren. Schließlich ist er ein Schausteller von altem Schrot und Korn, auch wenn er nicht so aussieht. Sein Vater ist als kleiner Marktschreier durch die Provinzen getingelt. Freddy hat mir mal erzählt, dass sein alter Herr immer ein Michigan-Bündel mit sich rumgetragen hat, mit dem er ein Pferd hätte erschlagen können.«
    Von den Jahrmärkten in den ländlichen Gegenden hatte ich schon viel gehört, aber Michigan-Bündel sagte mir nichts. Als ich Lane fragte, lachte er.
    »Zwei Zwanziger oben und unten, der Rest aus zugeschnittenem grünem Papier. Ein guter Gag, wenn man auf Trinkgeld aus ist. Aber das war es nicht, was ich über Freddy sagen wollte.« Er rückte die Melone wieder zurecht.
    »Was dann?«
    »Schausteller haben eine Schwäche für gut aussehende Bräute in engen Röckchen und für Kinder, denen das Leben böse mitgespielt hat. Außerdem sind sie äußerst allergisch gegen die Regeln der Tölpel. Was natürlich den ganzen Quatsch einschließt, den die Erbsenzähler so verzapfen.«
    »Dann muss ich vielleicht gar nicht …«
    Er hob die Hände, um mich zu bremsen. »Darauf solltest du es erst gar nicht ankommen lassen. Lass dich interviewen.«
    *
    Auf der Fotografie, die im Banner abgedruckt wurde, stehe ich vor dem Thunderball. Als ich die Zeitung aufschlug, zuckte ich innerlich zusammen: Ich blinzelte und sah aus wie ein Dorftrottel – aber es erfüllte seinen Zweck. Als ich am Freitag bei Fred vorbeischaute, lag die Zeitung auf seinem Schreibtisch. Erst druckste er herum, aber dann gab er nach. Allerdings musste ich ihm versprechen, dass Lane bei uns bleiben würde, solange das Kind und die Mutter im Park waren.
    Lane wiederum gab seine Zustimmung, ohne herumzudrucksen. Er sagte, er wolle schließlich meine Freundin kennenlernen, und lachte laut los, als ich deswegen in die Luft ging.
    Ich rief Annie Ross vom selben Telefon aus an, von dem Lane auch den Rettungswagen gerufen hatte. Ich erklärte ihr, ich hätte den Besuch für den nächsten Dienstagvormittag eingeplant, sofern das Wetter mitspiele – und für Mittwoch oder Donnerstag, wenn nicht. Dann hielt ich den Atem an.
    Eine lange Pause, gefolgt von einem Seufzen.
    Schließlich gab sie ihre Zustimmung.
    *
    An jenem Freitag geschah alles Schlag auf Schlag. Ich machte früh Feierabend, fuhr nach Wilmington und wartete bereits auf dem Bahnsteig, als Tom und Erin aus dem Zug stiegen. Erin rannte auf mich zu, warf sich mir in die Arme und küsste mich auf beide Wangen und auf die Nasenspitze. Sie fühlte sich verdammt gut an, aber es ist unmöglich, schwesterliche Küsse für mehr zu nehmen, als sie sind. Ich ließ sie los und erlaubte Tom, mich mannhaft zu umarmen und mir begeistert auf den Rücken zu klopfen. Fast hätte man meinen können, wir hätten uns seit fünf Jahren nicht mehr gesehen und nicht erst seit fünf Wochen. Aus mir war ein Malocher geworden, und selbst in meiner besten Khakihose und einem Sporthemd sah ich danach aus. Obwohl ich die ölverschmierten Jeans und das verblichene Hundekäppi im Schrank meines gemieteten Zimmers gelassen hatte, sah ich danach aus.
    »Toll, dich zu sehen!«, sagte Erin. »Meine Güte, was bist du braun!«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Was soll ich sagen? Schließlich arbeite ich in der nördlichsten Provinz

Weitere Kostenlose Bücher