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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Senkel gehen. Genießen Sie Ihren Ehemaligenbesuch, Erin?«
    »Jawohl, Sir, sehr sogar.«
    »Sehen wir Sie nächstes Jahr wieder?«
    Die Frage schien ihr unangenehm zu sein, aber sie hielt sich tapfer an die Wahrheit. »Wahrscheinlich nicht.«
    »Na gut. Aber falls Sie Ihre Meinung ändern, findet Brenda Rafferty bestimmt einen Platz für Sie.« Er wandte seine Aufmerksamkeit mir zu. »Dieser Junge, den Sie durch den Park führen möchten, Jonesy. Haben Sie mit der Mutter bereits einen Termin abgemacht?«
    »Dienstag. Mittwoch oder Donnerstag, falls es regnet. Mike darf im Regen nicht draußen sein.«
    Erin sah mich neugierig an.
    »Dann bleiben Sie bei Dienstag«, sagte er. »Es soll ein Sturm auf die Küste zukommen. Gott sei Dank kein Orkan, aber doch eine tropische Störung. Starker Regen und stürmischer Wind, heißt es. Am Mittwochvormittag soll es losgehen.«
    »Okay«, sagte ich. »Danke für den Hinweis.«
    »Nett, Sie wiederzusehen, Erin.« Er tippte sich an die Kappe und stapfte dann in Richtung Parkplatz weiter.
    Erin wartete, bis er außer Sichtweite war, bevor sie loskicherte. »Die Hosen. Hast du die Hosen gesehen?«
    »Aber klar«, sagte ich. »Ziemlich abgefahren.« Ich würde jedoch den Teufel tun und über sie lachen. Oder über ihn. Wenn man Lane glauben konnte, dann hielt Fred Dean Joyland mit Spucke, Bindedraht und Finanzakrobatik zusammen. Von mir aus konnte er so oft Golfhosen tragen, wie er wollte. Wenigstens waren sie nicht kariert.
    »Was war denn das mit dem Jungen, den du durch den Park führst?«
    »Das ist eine lange Geschichte«, sagte ich. »Die erzähl ich dir auf dem Rückweg.«
    Und das tat ich dann auch, wobei ich den bescheidenen Pfadfinder mimte und mich auf das Wesentliche beschränkte. Die heftige Auseinandersetzung im Krankenhaus überging ich geflissentlich. Erin hörte mir zu, ohne mich zu unterbrechen. Sie stellte nur eine einzige Frage, und zwar als wir die Treppe erreichten, die vom Strand hinaufführte. »Sei ehrlich, Dev – ist die Mami hübsch?«
    Irgendwie wurde ich das andauernd gefragt.
    *
    An jenem Abend gingen Tom und Erin zu Surfer Joe's, eine Bier-und-Boogie-Bar, in der sie im Sommer mehr als einen freien Abend verbracht hatten. Tom fragte, ob ich nicht mitkommen wolle, aber ich hielt mich an das alte Sprichwort, dass drei einer zu viel sind, und lehnte dankend ab. Außerdem bezweifelte ich, dass sie dort die gleiche lärmende Partystimmung wie im Sommer vorfinden würden. In Ortschaften wie Heaven's Bay bestand zwischen Juli und Oktober ein großer Unterschied. Meiner Rolle als großer Bruder gemäß sagte ich ihm das sogar.
    »Das begreifst du nicht«, sagte Tom. »Ich und Erin, wir halten nicht nach Spaß Ausschau, wir bringen ihn mit! Irgendwas müssen wir doch im letzten Sommer gelernt haben.«
    Trotzdem hörte ich sie relativ früh die Treppe raufkommen, und sie klangen einigermaßen nüchtern. Sie gingen flüsternd und leise lachend an meiner Tür vorbei, und ich fühlte mich sofort einsam. Ich sehnte mich nicht mehr nach Wendy; nur nach irgendjemand. Rückblickend glaube ich, dass sogar das ein kleiner Fortschritt war.
    Während die beiden weg waren, las ich mir Erins Notizen durch, fand jedoch nichts Neues. Nach einer Viertelstunde legte ich sie beiseite und wandte mich wieder den Fotografien zu, den scharfen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, VON IHREM »HOLLYWOOD GIRL« AUFGE-NOMMEN. Anfangs schaute ich sie nur wahllos durch; dann setzte ich mich auf den Boden und legte sie in einem Rechteck nebeneinander. In Gedanken versunken, schob ich sie von einem Platz auf den anderen, wie jemand, der ein Puzzle zusammensetzen wollte. Was ich letztlich ja auch tat.
    Erin lag die Kirmesverbindung im Magen und außerdem die Tätowierungen, die sehr wahrscheinlich gar keine waren. Auch mir bereitete das Kopfzerbrechen, aber da war noch etwas anderes. Etwas, was ich immer noch nicht zu fassen bekam. Das war deswegen so unerträglich, weil ich das Gefühl hatte, dass ich etwas ganz Offensichtliches übersah. Schließlich schob ich alle Fotografien in die Mappe zurück – bis auf zwei. Ich hielt sie hoch und betrachtete sie, erst die eine, dann die andere.
    Linda Gray und ihr Mörder, wie sie vor den Whirly Cups anstehen.
    Linda Gray und ihr Mörder an der Schießbude.
    Vergiss mal die verdammten Tätowierungen, sagte ich mir. Das ist nicht das Entscheidende. Da ist noch etwas anderes.
    Aber was? Die Sonnenbrille verdeckte seine Augen. Der Spitzbart verdeckte seine untere

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