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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wegschwemmen. Doch am Dienstagmorgen war der Himmel wolkenlos. Ich schlich mich ins Wohnzimmer hinunter und schaltete den Fernseher ein, um auf WECT den Wetterbericht Viertel vor sieben zu schauen. Der Sturm war noch immer im Anzug, aber die Einzigen, die heute etwas davon abbekommen würden, waren die Küstenbewohner von Florida und Georgia. Hoffentlich hatte Mr. Easterbrook seine Galoschen eingepackt.
    Mrs. Shoplaw schaute aus der Küche herein. »Sie sind früh auf«, sagte sie. »Ich hab Rühreier mit Schinken gemacht. Na los, kommen Sie.«
    »Ich hab keinen Hunger, Mrs. S.«
    »Unsinn. Sie sind noch ein junger Mann im Wachstum und müssen etwas essen. Erin hat mir erzählt, was Sie heute vorhaben, und ich finde es großartig. Das klappt schon alles.«
    »Ich hoffe, Sie haben recht«, sagte ich, musste aber weiterhin an Fred Dean in seiner Arbeitskluft denken. Fred, der mich früher nach Hause geschickt hatte. Fred, der eine Überraschung ausheckte.
    *
    Am Vortag hatten wir beim Mittagessen alles abgesprochen, und als ich um halb neun mit meinem alten Wagen vor der großen viktorianischen Villa hielt, warteten Annie und Mike bereits auf mich. Milo natürlich auch.
    »Sind Sie sich sicher, dass niemand was dagegen hat, wenn wir ihn mitnehmen?«, hatte mich Mike am Montag gefragt. »Ich möchte keinen Ärger kriegen.«
    »Begleithunde sind in Joyland erlaubt«, sagte ich. »Und Milo ist ein Begleithund. Stimmt's, Milo?«
    Milo sah mich nur mit großen Augen an – ganz offensichtlich hatte er keine Ahnung, wovon ich redete.
    Heute trug Mike seine riesigen, klirrenden Schienen. Ich trat vor, um ihm in den Kombi zu helfen, aber er winkte ab und stieg allein ein. Es strengte ihn ziemlich an, und ich rechnete schon mit einem Hustenanfall, aber ein solcher blieb aus. Er platzte geradezu vor Aufregung. Annie, die in ihren hautengen Jeans unglaublich lange Beine hatte, reichte mir den Wagenschlüssel. »Fahren Sie.« Und mit gesenkter Stimme, damit Mike es nicht hören konnte: »Ich bin viel zu nervös.«
    Ich war ebenfalls nervös. Schließlich hatte ich sie bedrängt, Mike gehen zu lassen. Mit seiner Hilfe, zugegeben, aber ich war der Erwachsene. Falls etwas schiefging, war das meine Schuld. Ich bin kein religiöser Mensch, aber während ich Mikes Krücken und seinen Rollstuhl im Kofferraum verstaute, schickte ich trotzdem ein Stoßgebet zum Himmel. Dann fuhr ich rückwärts aus der Einfahrt und bog in den Beach Drive ein. Schließlich rauschten wir an der Reklametafel vorbei, auf der KOMMEN SIE MIT IHREN KINDERN NACH JOYLAND DAS ABENTEUER IHRES LEBENS ERWARTET SIE! stand.
    Annie saß auf dem Beifahrersitz, und ich fand, dass sie noch nie schöner ausgesehen hatte als an diesem Oktobermorgen in ihren verblichenen Jeans und dem leichten Pullover, das Haar mit einem blauen Gummi zurückgebunden.
    »Vielen Dank für alles, Devin«, sagte sie. »Ich hoffe nur, dass wir das Richtige tun.«
    »Das tun wir«, sagte ich und bemühte mich, zuversichtlicher zu klingen, als ich mich jetzt fühlte, wo es kein Zurück mehr gab. Irgendwie hatte ich auf einmal so meine Zweifel.
    *
    Das große Joyland-Schild war erleuchtet – das war das Erste, was mir auffiel. Außerdem bemerkte ich, dass fröhliche Sommermusik aus den Lautsprechern schallte: lauter Hits aus den späten Sechzigern und frühen Siebzigern. Ich hatte vorgehabt, den Wagen keine zwanzig Schritte vom Eingang des Parks entfernt auf einem der Behindertenparkplätze in Abschnitt A abzustellen, aber bevor ich abbiegen konnte, trat Fred Dean aus dem offenen Tor und winkte uns zu sich. Heute trug er nicht irgendeinen Anzug, sondern den Dreiteiler, der eigentlich den Promis vorbehalten war, die hin und wieder mit viel Tamtam durch den Park geführt wurden. Der Anzug war mir bekannt, aber der schwarze Seidenzylinder, wie sie die Diplomaten in den alten Wochenschauen getragen haben, war mir neu.
    »Ist das normal?«, fragte Annie.
    »Klar«, sagte ich leicht benommen. Nichts davon war normal.
    Ich fuhr durch das Tor auf die Joyland Avenue und parkte neben der Bank direkt vor dem Wiggle-Waggle Village, wo ich einst nach meinem ersten Auftritt als Howie neben Mr. Easterbrook gesessen hatte.
    Mike wollte ebenso aussteigen, wie er eingestiegen war: allein. Ich blieb neben ihm stehen, nur für den Fall, dass er das Gleichgewicht verlieren sollte, während Annie den Rollstuhl aus dem Kofferraum hievte. Milo hockte zu meinen Füßen und klopfte mit dem Schwanz auf den Asphalt. Er hatte

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