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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hat genau eine einzige Spur ausfindig gemacht, Dev. Ein Mädchen, mit dem Claudine zur Schule ging, ist ihr in der Snackbar begegnet und hat sie gegrüßt. Claudine hat den Gruß erwidert. Das Mädchen hat erzählt, neben Claudine hätte ein Mann mit Sonnenbrille und einer Baseballkappe gestanden, aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, er könnte zu ihr gehören, weil er ein ganzes Stück älter war. Er ist ihr überhaupt nur deswegen aufgefallen, weil er im Kino eine Sonnenbrille getragen hat … und weil er eine Tätowierung auf dem Handrücken hatte.«
    »Den Vogel.«
    »Nein, Dev. Ein koptisches Kreuz. Wie das hier.« Sie holte eine weitere Fotokopie hervor und zeigte sie mir. »Der Polizei hat sie erzählt, dass sie es erst für irgendein Nazisymbol gehalten hat.«
    Ich betrachtete das Kreuz. Es war zierlich, glich aber ganz bestimmt keinem Vogel. »Zwei Tätowierungen, eine auf jeder Hand«, sagte ich schließlich. »Den Vogel auf der einen, das Kreuz auf der anderen.«
    Sie schüttelte den Kopf und zeigte mir noch einmal das Bild, das vor den Whirly Cups aufgenommen worden war. »Auf welcher Hand ist der Vogel?«
    Er stand links neben Linda Gray und hatte ihr den Arm um die Taille gelegt. Die Hand auf ihrem Hintern war …
    »Die rechte.«
    »Ja. Aber das Mädchen in dem Kino hat ausgesagt, auf seiner rechten Hand hätte sich das Kreuz befunden.«
    Ich dachte einen Moment nach. »Dann hat sie sich eben geirrt. Zeugen irren sich ständig.«
    »Klar tun sie das. Über das Thema könnte sich mein Vater stundenlang auslassen. Aber schau doch mal, Dev.«
    Erin gab mir das Bild mit der Schießbude – das beste von allen, weil die beiden nicht nur im Hintergrund vorbeischlenderten. Einem umherschweifenden Hollywood Girl war die hübsche Pose aufgefallen, und sie hatte sie in der Hoffnung fotografiert, das Bild hinterher an den Mann zu bringen. Allerdings hatte der Typ ihr eine Abfuhr erteilt. Laut Mrs. Shoplaw sogar eine ziemlich derbe. Dabei fiel mir ein, wie sie das Foto beschrieben hatte: Er schmiegt sich an sie und zeigt ihr, wie sie das Gewehr halten soll – wie die Typen das halt so machen. Das Bild, das Mrs. S. gesehen hatte, war ein gerasterter Zeitungsabdruck gewesen. Das vorliegende dagegen war das Original und so scharf, dass ich den Eindruck hatte, ich könnte hineintreten und Linda Gray warnen. Und wie er sich an sie schmiegte – seine Hand auf der Hand, mit der sie das Gewehr hielt, um ihr beim Zielen zu helfen.
    Es war seine linke Hand. Und sie war nicht tätowiert.
    »Siehst du?«, sagte Erin.
    »Da gibt es nichts zu sehen.«
    »Das ist der Punkt, Devin. Genau das ist der Punkt.«
    »Willst du damit behaupten, dass es zwei verschiedene Mörder gibt? Dass einer mit einem Kreuz auf der Hand Claudine Sharp umgebracht hat und ein anderer – einer mit einem Vogel auf der Hand – Linda Gray? Das kommt mir sehr unwahrscheinlich vor.«
    »Ich bin ganz deiner Meinung.«
    »Worauf willst du dann hinaus?«
    »Ich dachte, ich hätte auf einer der Fotografien etwas gesehen, aber ich war mir nicht sicher, also hab ich den Abzug und das Negativ Phil Hendron gezeigt, einem Kommilitonen von mir. Ein Genie in der Dunkelkammer – der ist praktisch Tag und Nacht bei uns im Fachbereich Fotografie zugange. Erinnerst du dich an die klobigen Pressekameras, die wir mit uns rumgeschleppt haben?«
    »Klar.«
    »Das sollte vor allem toll aussehen – süße Mädels mit altmodischen Kameras –, aber Phil sagt, die wären eigentlich ziemlich klasse. Mit den Negativen kann man eine Menge anstellen. Zum Beispiel …«
    Sie reichte mit eine Vergrößerung der Aufnahme, die vor den Whirly Cups gemacht worden war. Das Hollywood Girl hatte es eigentlich auf ein junges Paar mit einem Kleinkind abgesehen gehabt, aber auf dem vergrößerten Ausschnitt waren sie kaum noch zu sehen. Jetzt befanden sich Linda Gray und ihr mörderischer Liebhaber in der Mitte des Bildes.
    »Schau doch, Dev, die Hand. Die Tätowierung!«
    Ich runzelte die Stirn. »Die ist schwer zu erkennen«, sagte ich. »Die Hand ist verschwommener als der Rest.«
    »Ganz und gar nicht.«
    Dieses Mal hielt ich mir die Fotografie dicht vor die Augen. »Das ist … O Mann, Erin. Ist das Tinte? Tinte, die irgendwie ein bisschen verlaufen ist?«
    Sie schenkte mir ein triumphierendes Lächeln. »Juli 1969. Ein heißer Abend in den Südstaaten. Fast alle schwitzen wie die Weltmeister. Wenn du mir nicht glaubst, dann schau dir die Bilder an – überall Schweißflecken.

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