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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Tuns zur Rechenschaft gezogen werden. Wollen Sie dieses Schriftstück sogleich in aller Form aufsetzen und Uns zur Unterschrift vorlegen, daß es kann im nächsten Wochenamtsblatt publiziert werden. Wir warten.«
    Die Stimme Karl Alexanders, während er dies sprach, klang so eisig gemessen, daß der erschreckte Kanzler keine Einrede wagte. Nicht der Herzog, nicht der Jude sprach ein einziges Wort, während Scheffer die Urkunde konzipierte. Wortlos auch unterzeichnete Karl Alexander. Herrschte dann, kaum noch an sich haltend, den Kanzler an: »In das Amtsblatt den Wisch!« Zitternd retirierte der Minister.
    Süß dankte mit den servilsten, devotesten Bezeugungen für die enorme, unverdiente Gnade und das extraordinäre Vertrauen. Doch seine Augen waren nicht dankbar, sie waren dreist und fordernd und höhnisch. Stumm und feindselig maßen sich die beiden Männer, und Karl Alexander erkannte, daß er sich nicht losgekauft hatte.
    »Geh, Jud!« schrie er endlich, tobend. Und Süß ging. Doch nicht wie der Kanzler. Langsam ging er und erhobenen Hauptes und mit einem tiefen, machtbewußten, bösen Lächeln.
    Der Herzog aber, allein, schäumte, raste. Riß, zerrte, scheuerte sich wund an der unsichtbaren, unzerreißbaren, grauenhaften Bindung von ihm zu jenem.
    Der semmelblonde Expeditionsrat Götz, der jetzt, auffällig jung, als Kammerprokurator in die Geheimkanzlei avanciert war, sah mit Unbehagen die galanten Bemühungen des Herzogs um seine Mutter, die Geheimrätin Johanna Ulrike Götz, und seine Schwester, die Demoiselle Elisabeth Salomea. Er wußte nicht recht, wie er sich verhalten solle. Einesteils war es ehrenvoll, wenn der Souverän einer Dame seinen Hof machte,und es war Pflicht der Untertanin, dem gottgewollten Herrn mit Leib und Seele zu gehören; auch für seine Karriere konnte solche Neigung des Souveräns nur gewinnbringend sein. Andernteils führte der Weg vom Herzog und zum Herzog immer wieder über den fatalen Juden; ja, er hatte den Eindruck, Elisabeth Salomea sehe den Juden fast lieber als den Herzog. Und wenn auch Süß durch seine Stellung bei Hofe vom üblichen Gestank des Juden gewissermaßen purifiziert war, so blieb es doch eine peinliche Imagination, sich Schwester und Mutter in näherer Relation zu besagtem Juden zu denken. Der Expeditionsrat hätte auch vielleicht seinem inneren Widerstreit ein kurzes Ende gemacht, den Abschied genommen, sich mit Mutter und Schwester auf sein Landgut bei Heilbronn zurückgezogen. Doch die Affäre mit der Napolitanerin und die Erkrankung Karl Alexanders hatte ihn tief verwirrt, er sah sich seinem Fürsten in schwerer Schuld verstrickt, und sein Gewissen erlaubte ihm nicht diesen Ausweg. Stumm und in unklarer Not ließ er die Dinge laufen.
    Sie gingen aber zunächst stockend und schwerfällig. Süß zog immer wieder die Bremse an und ließ den Herzog nicht vorwärtskommen. Der spielte wohl manchmal mit dem Plan, auch diesmal wie so oft die Frucht mit Gewalt zu pflücken; aber er wollte sich vor dem Juden brüsten, daß er mit den bloßen Waffen der Galanterie sich könne den Eingang in den versperrten Schoß erzwingen. So wartete er zu; doch fachte das lange Warten seine Brunst immer höher.
    Er schickte den Damen, abwechselnd der Mutter und der Tochter, schöne Geschenke. Der Schwarzbraune brachte sie, der Mameluck, der immer schwieg, so daß man ihn im Volk für stumm hielt. Der geschmeidige, dunkelglänzende Mensch gefiel den Frauen, er sah so fern und melancholisch und tierhaft aus, er hatte bei den Mägden im Schloß und auch viel höher hinauf große Erfolge. Die süßen, blonden, zarten Damen Götz reizten ihn sehr; stumm, wenn er die Geschenke überbrachte, fraß er an ihrer pastellfarbenen Lieblichkeit mit seinen tiefen, wüstentraurigen Augen. Aber die DemoiselleElisabeth Salomea, wie sie seine dringlichen und ungebührlichen Blicke gewahrte, lachte ihm nur hell und backfischhaft empfindungslos ins Gesicht.
    Süß hielt die zwei Frauen fest an der Schnur. Sie waren beide töricht und maßlos in ihn verliebt, ohne daß sie aufeinander eifersüchtig gewesen wären. Sie steigerten sich vielmehr gegenseitig in der Bewunderung seiner mannigfachen Gaben. Während die Mutter sein Genie pries, sie hatte längst erkannt, daß er im Herzogtum regierte und nicht Karl Alexander, und während sie ihn rühmte, wie er so gewaltig, furchtbar und gefürchtet und doch liebenswert sei, fand die Tochter ihn männlich, kraftvoll und gleichwohl nicht plump und grobmäulig.

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