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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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nicht Ruhe. Kuriere, Meldungen von den entfernteren Garnisonen. Er empfingScheffer, Remchingen, Pfau. Ärger, Gehetz. Wenn wenigstens das verdammte Gedudel aufhörte! Aber er selber hat angeordnet, daß vor den Zimmern des musikalischen Grafen das Orchester des Theaters spiele. Er bekam plötzlich Hunger, verlangte Fleischbrühe, wollte sie gierig hinunterstürzen, fand sie zu heiß, schmiß die Tasse an die Wand. Dazu die wimmernde Feuerglocke wegen des Eglosheimer Brandes. Der fetzende Wind, die rauchenden Kamine. Überall im Schloß klirrende Fenster, schlagende Türen. Das Orchester obendrein. Den Herzog litt es nirgends. Die Musiker und Komödianten feixten heimlich: es treibt ihn herum wie vor einer Premiere. So, endlich, kam der Abend.
    In Stuttgart war es sehr still diesen Abend. Nirgends brannte ein Licht. Doch im Dunkel war Getapp von vielen Schritten, gedämpftes Klirren von Eisen und Holz, Geflüster und Hin und Her. Alle Bürgerschaft wußte, daß es in diesen Stunden um die Entscheidung ging. Die Meldung Schobers hatte gewirkt. Alle waren gerüstet, gewaffnet, voll dumpfer, klemmender Spannung, nicht ohne Zagheit, aber willens zu kämpfen. Niemand schlief in Stuttgart in dieser Nacht, nur die kleinen Kinder. Man sagte, raunend, zum hundertstenmal das gleiche, Flüche, Wünsche, prüfte, halb zaghaft, halb in die Brust geworfen, die Waffen. Und die Nacht war voll Bereitschaft.
    In Ludwigsburg indes im Schloß hatte man alle Kerzen entzündet. Der Herzog gab, bevor er ins Ausland ging, dem Gesandten des Kaisers, den Würzburger Herren einen Hofball. Die Gesellschaft war nicht zahlreich, auf die in das Staatsstreichprojekt Eingeweihten beschränkt. Viele Militärs waren da, die beiden Röder, der General und der Major. Feixend hatte Karl Alexander den knarrenden, niedrigstirnigen Mann nach Ludwigsburg eingeladen; die berittene Stuttgarter Bürgergarde, deren Kommandant er war, werde ihn in dieser Nacht kaum benötigen; ohne auf den Witz einzugehen – denn er nahm seine Stellung bei dem Stadtreiterkorps sehr ernst –, dumm und stier hatte der Major, die unförmige, behandschuhteTatze militärisch ausgereckt, die huldvolle Einladung angenommen. Durch den Saal hin äugte das blaurote, geiernäsige, entfleischte Gesicht des Dom Bartelemi Pancorbo über der riesigen, verschollenen Halskrause; in der Nähe des Süß hielt sich der verfallene Weißensee, er schnupperte, seine klugen Augen zuckten, er witterte Schwefel, Feuer, Wetter, Untergang. Süß selber hatte einen strahlenden Abend wie in seiner besten Zeit, seine wölbigen, fliegenden Augen waren überall, er war galant, witzig, siegerisch, seine sichere, festliche Laune stach sehr ab von der flackerigen Unrast Karl Alexanders. Manchmal tauchten in die seinen die bräunlichen Tieraugen des Mamelucken, dem er, dem stumm sich Neigenden, wenige knappe, stille Weisungen gegeben hatte, und es ging dann wie ein triumphierendes Fragen und Erwidern vom Aug des einen zum andern.
    In den ersten Nachtstunden sollten in Stuttgart die Häupter der Verfassungspartei verhaftet werden und die würzburgischen und bayrischen Hilfstruppen ins Herzogtum einrücken. Bis der Kurier mit der Meldung käme, daß der Putsch soweit planmäßig geglückt sei, wollte Karl Alexander unter seinen Gästen bleiben, mit dieser Gewißheit schlafen gehen. Er hatte die neue Sängerin in sein Schlafgemach bestellt, die Demoiselle Teresa, eine dralle, heißäugige, warmhäutige Person. Schon die beiden letzten Jahre durch hatte er sich gewöhnt, vor jedem Beilager mit einer neuen Frau ein Aphrodisiakum zu nehmen, denn er hätte es nicht ertragen, hätte nicht jede neue Frau seine Männlichkeit für besonders stark halten müssen; heute, nach der Abschiedsnacht mit Marie Auguste, befahl er dem Schwarzbraunen, die Dosis zu verstärken.
    Der Kurier mit der Glücksnachricht kam nicht und kam nicht. Die Unrast des wartenden Herzogs fuhr den Gästen kribbelnd in die Glieder, zuckte durch den ganzen Saal. Draußen der Sturm hielt in gleicher Kraft an, Regen prasselte, einmal auch Hagel gegen die Scheiben; den Rauch der schlecht ziehenden Kamine hatte man nicht ganz aus den Räumen verjagen können. Wohl brannten Myriaden Kerzen,Musik, immer üppiger, klang, aus den ältesten Fässern der erlesenste Wein wurde geschenkt, man hatte die prunkendste Gala, die feiertäglichste Laune angetan; aber man kam über eine fiebrige, erkrampfte Lustigkeit nicht hinaus.
    Karl Alexander hielt Cercle, stellte seinen

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