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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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immer wieder. Wissen ist schön, Wissen ist jenseits vom Tun, wissend und ruhvoll sein wahrt vor neuen schlimmen Einkörperungen die Seele; und Tun ist albern, Tun ist dumm und schmutzig und tierisch und der Nachschmack schal und sehr von Übel. Aber ich muß immer wieder hinein ins Tun und Eitelkeit und Getriebe! Laß mich dumm sein, Lieber! Laß mich schmutzig und tierhaftsein! Laß mich meinen Bart mehr pflegen als meine Seele!« Und mit frechem Scherz schloß er: »Meine Seele werde ich finden und rein waschen in Myriaden Jahren; aber wer steht dafür, daß ich ein zweit Mal einen so schönen Bart finde?«
    Lind rieselten diese Lästerungen von den süßen, schmeichelnden, beredten Lippen des weisen und leichtfertigen verlorenen Rabbi. Der andere hörte sie, trüb, steinern, unbewegt. Er sah plötzlich eine Landschaft. Stein, Ödnis, zerschrundetes Eis; zartes, höhnisches Leuchten darüber, schattende Wolke, Geierflug, finster tolle Willkür, riesige, aufs Eis geworfene Blöcke. Gelähmt fast von dem Bild erkannte er: die gleiche Entsprechung hier wie dort. Solche Ahnung hatte ihn hergetrieben von dem Mann, an den er gefesselt war, zu diesem. An den nackten, frechen Brüsten der Lilith lag jener; aber er sehnte sich und langte nach der Obern Welt; bei den Heiligen und Frommen, im silbernen Bart des Simon ben Jochai, lag dieser, aber es dürstete ihn nach den Zitzen der Lilith. Das gleiche Bild, die gleiche Entsprechung. Doch jener war näher an der Vollendung als dieser.
    Er antwortete nicht, als Jonathan Eybeschütz endlich schwieg. Er sagte nur: »Friede mit dir, mein Bruder und Herr!« und ging in das Schlafgemach, das man ihm bereitet. Jonathan Eybeschütz sah seinen runden, dicklichen, etwas gebeugten Rücken sich entfernen, das milde, leichtfertige Lächeln schwand langsam, und trotz seines milchig weißen Bartes sah er minder würdig und überlegen aus, wie er sich wieder an seine Bücher und Pergamente setzte.
    Müd und nervös lehnte Karl Alexander im Wagen. Er fuhr nach Ludwigsburg, um von da ins Ausland und erst nach vollendetem Putsch zurückzureisen. Er hatte zwei anstrengende Karnevalstage hinter sich, die er trotz der geschlossenen Zeit dem Reichsgrafen Palffy zu Ehren gegeben hatte; Graf Palffy kam in Spezialmission des Wiener Hofs, es war große Huld und Aufmerksamkeit des Kaisers, daß er durch diesen Sondergesandten den geplanten Staatsstreich augenzwinkernd imvorhinein sanktionierte. In aller Frühe dann hatte sich Karl Alexander von der Herzogin verabschiedet. Er hatte die Nacht mit ihr verbracht, hatte ihr hemmungslos von seinen großen Projekten vorgeschwärmt, dies sei die letzte Nacht, die sie als kleine deutsche Fürstin verträume; fortan werde sie zählen unter den europäischen Souveränen, und bald wohl werde man sie mit anderem Titel als mit einem lumpigen Durchlaucht grüßen. Heiß und erregt hatte er seine Phantasien in die schöne, nackte Frau hineingeflüstert, sie hatte spöttisch halb, aber doch von seiner Hitze mitgerissen zugehört, hatte seine brennendere Umarmung entbrannter als lange schon erwidert. Müde jetzt von dem gefüllten und bedeutenden Abschied, leicht matt, nervös und fieberig lehnte er im Wagen. Er war doch sonst eiskalten Blutes vor mancher Entreprise gestanden, war auf dem Schlachtfeld nicht nervös geworden, wenn ihm der Gaul war unterm Arsch weggeschossen worden. Aber heut, Gift und Opperment!, kribbelte es ihn durch alle Glieder, war’ ihm, als hätte er Ameisen in den Adern. Nur gut, daß er den Grafen Palffy hatte vorausfahren lassen; so konnte er jetzt wenigstens allein sein. Auch der verdammte Fuß zuckte und zerrte und wollte nicht Ruhe halten. Kein Wunder, es war ein Wetter von seltener Scheußlichkeit. Bald Sonne, bald Schloßen, es regnete und flockte, bis einen wieder grelle Sonne blendete. Es stritt alles gegeneinander. Starker, feuchter Wind ging, Wolken in rasender Eile fetzten über den Himmel. Dazu brannte es da vorne in Eglosheim, und der Feuerschein irritierte die Pferde. Ein vages Erinnern flog Karl Alexander an; in solchem fetzigen Wind war er gestanden, nicht lange her war’s, wie dort der rote Schein hatte ein starkfarbiger Mond sich gekrümmt, aus einem schwärzlichen, feindseligen Wald war es verwirrend, gespenstisch hergekommen, ein weißes, totes Mädel war auf der Erde gelegen, zwischen Blumen, im starken Wind. Blödes Erinnern. Was soll das jetzt? Er hat, weiß Gott, Besseres zu denken.
    Endlich in Ludwigsburg. Auch dort

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