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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gästen lärmende, huldvolle Fragen, um dann plötzlich zu versinken, ihre Antworten zu überhören, jäh abzubrechen. Der Mameluck glitt lautlos heran, meldete, die Demoiselle Teresa sei im Privatkabinett. Der Herzog, ungeniert, sagte: »Das Mensch soll warten!«, setzte sich mit Süß zum Jeu. Der Mameluck brachte ihm, in silberner Tasse, das Aphrodisiakum. Stand still, demütig. »Hast du’s auch genügend stark genommen?« fragte Karl Alexander. »Ja, Durchlaucht«, erwiderte mit seiner rauhen, gleichmütigen Stimme der Mameluck.
    Karl Alexander stürzte den Trank hinunter. Spielte. Gewann stark. Blieb unbeteiligt, abwesend. Den grünen Galarock zurückgeschlagen, die eine Hand bald ruhend auf der gelben Hose, bald nervös mit der goldenen Kette spielend, machte er lange Pausen zwischen Stich und Schlag. »Daß der Kurier nicht kommt!« fieberte er. »Der Sturm«, begütigte Süß, »die aufgeweichte Straße.« Der Schwarzbraune war wieder da, mit seinem stillen, gleitenden Schritt. Meldete, die Demoiselle warte noch immer. »Soll sich ausziehen derweil!« schrie der Herzog. »Ich kann meine Depeschen nicht herhexen.«
    Ein Kreis ehrerbietiger Zuschauer stand um die Spielenden, begleitete das Jeu mit etwas gekünstelten, krampfhaften Witzen. Der Herzog schlug eine siegreiche Karte auf, strich wieder einen Hügel Dukaten ein. »Heut mußt du mir einen Teil wieder hergeben, Jud«, lachte er, »des, was du mich beschissen hast.« – »Heut tu ich’s gern«, sagte Süß. Die widrige Stimme des Majors Röder knurrte. »Wenn’s so Leib an Leib geht, dann tut sich der Jud schwerer mit dem Bescheißen. So von der Ferne her mit Papieren und Tricks und ohne daß man dem andern muß ins Gesicht sehen, geht’s leichter.« Auch den nächsten Schlag verlor Süß. Der Herzog sah den Architekten Retti unter den Umstehenden, warf ihm hin: »Wenndas so weitergeht mit meinem Schwein, dann machen wir den Umbau, den Er für die Galerie projektiert.« Der Architekt lachte laut, beflissen. Dom Bartelemi Pancorbo sagte unversehens mit seiner dumpfen, modrigen Stimme: »Den Stein verliert er nicht, der Jud.« Und alle starrten begehrlich und verträumt auf den Solitär an der Hand des Finanzdirektors und sahen, wie verwirrend in ewigem Wechsel die Strahlenbündel daraus schossen.
    Endlich war der Mameluck wieder hinter dem Herzog, meldete: »Man ist da.« Karl Alexander, mit gespielter Lässigkeit, warf die Karten zusammen, schob dem Süß den ansehnlichen Haufen gewonnenen Geldes zu. »Da, Jud! Die Galerie laß ich später bauen. Das verehr ich Ihm.« Süß, wohlwollend fast und amüsiert, dachte: Sieh an, schenken läßt er sich nichts. Bezahlt mich, wo er glaubt, ich hab ihm ans Ziel geholfen, legt noch ein Trinkgeld darauf. Dann sperrt er mich in die Kasematten und steckt Bezahlung samt Trinkgeld wieder ein. Aufmerksam und dringlich sah er den Herzog an, und der, wie gezwungen von seinem Blick, sagte obenhin: »Kannst mitkommen.« Der Schwarzbraune voran, dann hinkend, schnaufend, rot Karl Alexander, zuletzt federnd, geschwellt, weiß, jung der Jude, gingen sie.
    Durch die sich neigenden Lakaien der Vorsäle erst, dann durch stille Korridore, in denen nur der fetzende Atem des Sturms war, nach dem andern Flügel des Schlosses in die Privatgemächer des Herzogs. Arbeitszimmer, kleines Zwischenkabinett, das Schlafzimmer mit der wartenden Frau. Der Mameluck riß die Tür zum Arbeitskabinett auf. Nicht der Kurier war da, den Karl Alexander erwartete, sondern vier Männer, die er nicht kannte. Zwei alte, mit eisgrauen Haaren, mager und schmächtig wie Federkiele, die anderen gedrungen, von lümmelhaftem, proletarierhaftem Gehabe. Alle vier waren stumm, verneigten sich, die jüngeren schwer und plump, die älteren hastig und wiederholt, von den im Windhauch der offenen Tür flackernden Kerzen wild beschattet und erhellt.
    Der schäumende, in seiner Erwartung betrogene Herzog schrie, die Stimme fast versagend vor Wut, den Mamelucken an: »Bist du verrückt? Läßt in der Nacht, heut nacht, Gesindel zu mir?« Schleuderte ihn mit einem Fußtritt in den Winkel. »Der Kurier!« brüllte er. »Wo bleibt der Kurier?«
    »Wir sind kein Gesindel«, tat da einer von den Männern schwerfällig, feindselig den Mund auf. »Wir sind von der Landschaft.« Karl Alexander fuhr auf ihn los, packte den stämmigen, lümmelhaften Menschen, schüttelte ihn: »Wollt mich überfallen? Mich meucheln? Ketzer! Mörder!« Er schrie und geiferte, daß die

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