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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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krausen Figuren dazwischen, den komisch und bedrohlich hockenden, primitiven Vögeln. Kichernd erzählte sie, wie sie das Etui von Süß bekommen habe, und die kleine, unanständige Geschichte von Lilith, der ersten Frau des Adam, der ihr beim fleischlichen Verkehr nicht so zu Willen war, wie es ihr gefiel. Magdalen Sibylle streckte die Hand nach dem Amulett, ließ sie wieder sinken, nahm es schließlich, unsicher, leicht übergruselt.
    Dann verließ Marie Auguste Stuttgart. Sie reiste mit großem Gefolg, in ihrer unmittelbaren Umgebung der Pater Florian und, in einem modischen Reisehabit, der sanfte Bibliothekar.In unendlich vielen Wagen war der Riesenapparat ihrer Garderobe vorausbefördert worden. Die Straße war gesäumt mit Gaffern. Man war, nun die Herzogin abzog, wohlwollend gestimmt, riß gutmütige Witze. Ihre Rendanten und Almoseniers hatten mit Douceurs nicht gespart, die Hochrufe klangen geradezu herzlich.
    Auch Johann Jaakob Moser stand an ihrem Weg, in Begleitung seiner Frau. Er war gerührt. »Da zieht sie hin«, sagte er zu seiner Frau. »Glaubt, sie werde der Versuchung nicht länger standhalten können. Flieht lieber aus dem Land. Großer Gott, wie dank ich dir, daß du mich hast stark und beherrscht sein lassen und mein Blut bezähmtest.« Und er drückte fest die Hand seines Weibes.
    Als ihre Karosse fertig stand, erschien am Schlag schief, klein, schäbig der Herzog-Administrator, sich zu verabschieden. Ich habe geglaubt, schmunzelte er insgeheim, ich müßte einen Teufel austreiben, aber jetzt gackert mir eine Gans aus dem Haus. Doch Marie Auguste dachte spöttisch überlegen: Was da jetzt zurückbleibt, ist einander wert: Esel reibt sich an Esel. Und unter dem riesigen schwarzen Hut nickte das zarte, pastellfarbene Gesicht mit liebenswürdigem Spott dem alten Soldaten zu, der den Schlag zuwarf, militärisch grüßte, ungewohnt höflich schmunzelte.
    Die Untersuchungskommission bekam aus Süß trotz aller Tortur nichts weiter heraus als ein allgemeines Geständnis, ja, er habe mit Christinnen verkehrt. So lud man denn Lakaien vor, Kammerzofen, befragte sie peinlich nach jedem winzigsten Detail. Etliche hatten durch Schlüssellöcher geguckt, andere Schreie, Kreischen, wollüstiges Gestöhn gehört. Das alles, wann, wo, wie lange, wurde gewogen, hin und her besprochen, zerkaut, in die Akten aufgenommen. Bettlaken, Hemden, Nachttöpfe wurden berochen, der Befund in den Protokollen erörtert. So kam man allmählich auf eine lange Liste von Frauen, hohen und niederen, ledigen und verheirateten. Alle wurden sie umständlich ohne Erlaß desminutiösesten Details von den gierigen Richtern ausgeforscht, wann, wie oft, wie lange, welcher Art der Jude sie beschlafen habe. Das wurde dann verzeichnet, schwarz auf weiß, in dreifacher Ausfertigung, bestimmt, als Staatsurkunde im Archiv niedergelegt zu werden.
    Das Gericht ordnete das Erscheinen auch der Damen Götz an. Wieder einmal fand sich der junge Geheimrat Götz in der äußersten Verlegenheit. Er hatte es für gut befunden, Mutter und Schwester für eine Weile auf sein Landgut bei Heilbronn zu schicken. Sie hätten können einfach in die Reichsstadt Heilbronn gehen, dann waren sie der herzoglichen Jurisdiktion entzogen; aber dann auch mußte er von seinen Ämtern zurücktreten. Oder sie stellten sich dem Gericht; dann galt es, bevor einer einen schiefen Blick wagte, ihn so kühn und drohend anzuschauen, daß ihm der Spott erstickte. Dies war anstrengend, aufreibend, denn man wird sehr viele, ja fast alle so anschauen müssen. Aber er war tapfer und entschied sich dafür.
    An einem strahlenden Sommertag erschienen die Damen vor den Richtern. Auskosteten die Männer die Pikanterie, erst die Mutter, dann die Tochter zu verhören. Sie hatten Mühe, Spannung, Gier, geile Freude an der Situation hinter der gleichmütigen Gravität der Richtermasken zu verstecken. Elisabeth Salomea, die pastellfarbene Lieblichkeit des blonden Gesichts mit den gejagten graublauen Augen durch ein schwarzes, einfaches Kleid gehoben, stand verstört und zitternd. Seltsam war, daß sie, völlig schmucklos sonst, den Ring mit dem Auge des Paradieses trug, gegen das ausdrückliche Verbot ihres Bruders, und die Blicke der Herren kamen nicht los von dem Stein. Sie wand sich unter der unerbittlichen Sachlichkeit, mit der diese Männer, durch den aufreizend wertvollen Stein vor sich selber doppelt gerechtfertigt, ihre zotig neugierigen Fragen stellten. Fröstelnd trotz der blanken

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