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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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verhinderte es. Das Angebot des Majors war plötzlich überboten; ehe der Major sich rückäußern konnte, war das edle Tier dem fremden, unbekannten Käufer überlassen worden, und Herr von Röder, dessen Lied: »Halt! oder stirb entweder!« noch immer in aller Munde war, mußte sich dem stets enthusiasmierten Volk auf seinem alten Fuchs zeigen. Die schöne Morgenländische tauchte dann bei der Demoiselle Elisabeth Salomea Götzin auf, wo der Schwarzbraune sie wartete. Später in starker Geldnot mußte die Demoiselle sich ihrer entäußern. Sie verkaufte sie an einen reichenMoslem, und die Stute Assjadah verschwand wieder nach dem Osten, aus dem sie gekommen war.
    Auch den Papagei Akiba, der »Ma vie pour mon souverain!« rief und: »Wie geruhen Euer Durchlaucht geschlafen zu haben?«, entzog Nicklas Pfäffle den Händen des gierigen Siegers. Er selber brachte das Bauer mit dem Vogel nach Frankfurt zu Isaak Landauer, der einen dem Nicklas Pfäffle sympathischen Käufer ausfindig gemacht hatte. Der große Finanzmann empfing den Sekretär in dem dumpfen, schlecht gelüfteten Privatkontor seines häßlichen, schiefen, verwinkelten Ghettohauses. In unschöner, unbequemer Haltung saß er in seinem schmierigen Kaftan vor dem fetten, blassen Sekretär, beschaute gehässig den kreischenden Vogel, sprach schließlich: »Ich hab es ihm rechtzeitig gesagt: was braucht ein Jud einen Papagei?« Er strähnte mit den dürren Fingern hastig den rotblonden, verfärbten Ziegenbart, schickte schiefe, eilige, mißmutige Blicke herum. Nicklas Pfäffle schwieg. Aber dann blieben die Männer doch noch einige Stunden zusammen und besprachen sehr vieles, einsilbig und gleichmütig der eine, hastig, jammernd, drohend, anklagend, heftig, dringlich der andere.
    Infolge dieser Unterredung machte sowohl Isaak Landauer wie Nicklas Pfäffle einige Reisen. Von Anfang an hatte die Judenheit für den gestürzten Finanzdirektor zu wirken gesucht. Jetzt wurde diese Tätigkeit organisiert. Bei den Ministern und großen Herren an den verschiedensten europäischen Höfen saßen jüdische Bankiers herum, besprachen den württembergischen Prozeß. Legten Gewicht nicht etwa auf die Person des Süß, auch nicht auf die üble Behandlung, die er leiden mußte. Betonten vielmehr, wie willkürlich und gegen römisches und deutsches Recht sowohl wie gegen die Landesgesetze dieser Prozeß geführt werde. Die vereidigten Beamten ließ man laufen, gegen den Privatmann und Nichtuntertan inquirierte man wegen Verrats an der Verfassung. Ein herzogliches Reskript war da, das ihn vor allen Verfolgungen durch Gesetzesakt schützte. Man setzte sich überdiese höchste, heiligste Unterschrift hinweg und prozessierte um Majestätsverbrechen. War das Justiz? Hatte man Rechtssicherheiten, Garantien in einem solchen Staat? Konnte man verhandeln mit einer solchen Regierung, Geschäfte mit ihr abschließen? Gegen einen einzigen Gesetzesparagraphen hatte Süß sich vergangen. Er hatte – ei du Kriminalverbrechen! – mit christlichen Frauen geschlafen. Darum konfiszierte man sein Vermögen. Hieß das Recht? Hieß das Justiz? Konnte man solch einem Staat Kredit geben?
    So ging es an allen Höfen. Man hänselte die württembergischen Gesandten, mokierte sich vor allem über die profitliche Staatsmoral, die das Schäferstündchen eines Privatmannes zur Deckung des Staatsdefizits ausnützte. Auch daß die Richter den Prozeß nur hinschleppten, um an den Diäten fett zu werden, wurde überall festgestellt. An jedem Beischlaf des Juden, hieß es, schnüffelten die Herren so lange herum, bis der einzelne seine tausend Taler verdient hätte.
    Johann Daniel Harpprecht erschien bei dem Herzog-Administrator, ihm über den Verlauf der Untersuchung zu referieren. Er sprach frank und geradezu. Wenn das so kontinuiere, verliere die schwäbische Justiz jedes Prestige. Man habe sich jetzt zur Genüge blamiert. Er brauche nicht zu betonen, daß er den Juden für eine schädliche Wanze ästimiere. Aber es gehe nicht an, einen Menschen in einem modernen Rechtsstaat derart physisch zu torturieren. Man möge endlich die Argumente zusammenstellen und zu Deduktion und Spruch schreiten. Es sei ein Skandal, daß man die anderen größeren Schelme habe aus dem Netz gelassen. Er begreife die politische Notwendigkeit solcher Milde; aber dann solle man sich wenigstens nicht durch überflüssig barbarisches Traktament des Juden weiter bloßstellen. Vornehmlich die Geschichte mit den Frauenzimmern, wie sie die

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