Jud Sueß
es, daß auch der junge Geheimrat von Götz in das Kollegium berufen wurde, an dem Verderber von Mutter und Schwester Wut und Rache auszutoben.
Diese alle waren nun zu Richtern des Süß bestellt. In ihnen brannte Haß viel heißer als Geldgier, das Volk drängte auf endliches Urteil, und sie waren sehr bereit, diesem Drängen stattzugeben. Sie beschleunigten die Untersuchung. Die Anklageakte des Regierungsrats Philipp Heinrich Jäger legte dem Süß ungefähr alles zur Last, was unter Karl Alexander Übles geschehen war, auch Dinge, von denen er unmöglich Kenntnis gehabt haben konnte. Machte ihn als einzigen voll verantwortlich für die Amtshandlungen sämtlicher Staatsbeamten von den Mitgliedern des Kabinetts bis zum letzten Subalternen. Die wackere Verteidigungsschrift des braven Lizentiaten Mögling wurde kaum gelesen. Haßblind setzten sich die Richter über den klaren Tatbestand hinweg, streiften in der Urteilsbegründung kaum die zahllosen Einwände, die sich gegen ihre Kompetenz erhoben und eine gesetzmäßige Verurteilung des Süß ausschlossen.
Sie erkannten den Juden für schuldig zahlloser Verbrechen: erstens gegen den Herzog, zweitens gegen dessen getreue Räte, Minister und die ganze Nation, die er bei dem Fürsten angeschwärzt und in Ungnade und Mißtrauen gesetzt habe; drittens und hauptsächlich gegen das Parlament und die Verfassung – hier mußten sehr viele Verordnungen des Süß herhalten, vor allem auch jenes Reskript wegen der Kaminfeger; und viertens gegen Gemeinden und einzelne Untertanen. Sie erkannten ihn für einen Majestätsverbrecher, Staatsverbrecher, Münzverbrecher, Hochverräter und Landverderber.
Aus diesen Gründen verurteilte das zur Untersuchung seiner Verbrechen eingesetzte Sondergericht den Josef Süß Oppenheimer, Juden und gewesten Finanzdirektor, zum Tod durch den Strang. Diese Hinrichtungsart wurde dem Angeklagten zuerkannt, weil sie ohnedies die gewöhnliche Strafewar bei verschiedenen dem Angeklagten zur Last gelegten Verbrechen; insonders aber, weil sie die Mitte hielt zwischen der gegen Majestätsverbrecher üblichen Strafe der Vierteilung, zwischen der gegen Falschmünzer zu verhängenden Strafe des Lebendigverbranntwerdens und zwischen der ehrenhafteren Hinrichtung durch das Schwert.
Die Herren gingen geschwellt herum. Sie hatten das Urteil in eine Form gekleidet, die einigermaßen passabel aussah. Mochten pedantische Juristen daran mäkeln, sie wußten, das Volk und sein gesundes Empfinden war auf ihrer Seite.
Unbehaglich und mit unruhigen Gliedern saß der Darmstädter Finanzienrat und Kabinettsfaktor Baron Tauffenberger in seinem mit Akten überstapelten Salon. Ihm gegenüber saß, ratlos, schön und töricht seine Mutter, Michaele Süß. Seit sieben Jahren, seitdem er nicht mehr Nathan Süß Oppenheimer hieß, sondern sich zum Baron Ludwig Philipp Tauffenberger hatte taufen lassen, hatte sie ihn nicht mehr besucht. Die schöne alte Dame, ihr leeres Leben mit Toilettensorgen, Korrespondenz, Theater, Protektion junger Künstler, Reisen, Geselligkeit ausfüllend, hatte Darmstadt, den Sitz ihres älteren Sohnes, immer ängstlich gemieden. Sie hätte es begriffen, wenn der jüngere, wenn Josef sich zum Glauben seines Vaters bekannt hätte, ja, sie hätte es vielleicht gern gesehen, sie suchte mit zärtlichem Schuldbewußtsein die Züge des Vaters in ihm. Aber daß Nathan, der Sohn des Kantors Isaschar Süßkind, zum Christentum übertrat, schien ihr ein großer Frevel, der sich gewiß einmal bitter rächen mußte. Scheu betrachtete sie sein Glück und seinen Aufstieg. Daß jetzt Josef, der fromme, edle, der den Jecheskel Seligmann Freudenthal gerettet hatte, der trotz Lockung und unerhörter Versuchung Jude geblieben war, daß der jetzt so grausam stürzen mußte, während der Frevler und Getaufte üppig und in Blüte stand, machte sie vollends wirr und hilflos.
Michaele Süß hatte ihren Mann, den Kantor Isaschar, auf ihre Art geliebt. Er war ein netter, betulicher Mann gewesenund ein großer Sänger und Komödiant und vor allem auch ein sanfter, bequemer Mann, der viel auf Reisen war und auf die bösen Dinge, die man ihm über seine Frau zutrug, nicht hörte, sondern immer gleich zärtlich und voll dankbarer Bewunderung ihrer Schönheit blieb. Sie hatte auch sonst in ihrem langen, reichen, leichten Leben viele Männer gern gehabt. Aber jene Monate mit dem strahlenden Georg Eberhard Heydersdorff waren doch die Krone ihrer Tage gewesen. Wie er in Schmach und
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