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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Kommission betreibe, sei eine landesverderberische Sauerei. Der alte Jurist redete sich rot und heiß und gebrauchte starke Worte. Man müßte, gehe man nach dem nackten und längst entwesten Buchstaben des Gesetzes, auch die Weiber verbrennen. Darandenke niemand. Was also in Dreiteufelsnamen der ganze Handel solle. Es würden jede Nacht hunderttausend Weiber im Herzogtum beschlafen. Im Bett, eine Frau beschlafend, gefährde kein Jud und kein Ketzer die Sicherheit des Staates, der Religion und der Verfassung. Es wäre gut gewesen, der Jud hätte sich all seine Tag und Nächte nicht anders betätigt. Übrigens wolle ihm der Jud, der sich keinen Namen entpressen lasse, nobler erscheinen als seine eifrigen Richter. Und man solle endlich aus dieser Sauerei Hände und Nasen herauslassen. Finster hörte der alte Regent zu. Harpprecht polterte nur klar und hart heraus, was er selber schon dumpf gespürt hatte. Pflicht! Gerechtigkeit! Und er gab Weisung, die Inquisition wegen der Weiber einzustellen. Etliche von den Frauen ließ er stäupen, die übliche Fuhre Mist durch die Stadt schleifen.
    Den Süß befahl er nicht weichlich, aber als einen Menschen zu behandeln. Pedantisch genau befolgte der Major Glaser diese Instruktion. Nicht weichlich. Die Zelle des Juden maß nach wie vor nur fünfundeinenhalben Schritt, er wurde jeden zweiten Tag geschlossen, erhielt Fleisch nur des Sonntags, durfte nur einfachste Kleider tragen. Als einen Menschen. Das Verhör zwischen neun und zehn Uhr fiel fort, er bekam einen Tag über den andern Waschwasser, seine Zelle hatte Holzboden und eine Pritsche zum Schlafen.
    Auf die Herren der Kommission wirkte die Ordre des Regenten. Auch wurde ihnen, trotzdem sie große Worte machten, bei der immer lauteren, klug geschürten Mißbilligung des Auslands unbehaglich. Es war wirklich nicht so ganz einfach, eine Verurteilung formal einwandfrei zu begründen. Daß Harpprecht und Schöpf nicht zustimmen würden, war gewiß; aber auch andere, vornehmlich die jüngeren Herren, wurden unsicher, bekamen Angst, sich zu blamieren. Der Lizentiat Mögling, der ehrliche Advokat, blühte auf. Er hatte das Gefühl, als sei die sanfte Behandlung des Süß und der Stimmungsumschwung einzelner Richter sein Werk. Zwar wurde ihm der Zutritt zu seinem Klienten immer noch erschwert,auch die Protokolle der Zeugenverhöre wurden ihm geradezu verweigert, so daß seine Defensionsschrift sachlich nicht recht weiter gedieh; aber formal feilte er sie immer schärfer durch, er setzte die Worte immer glatter und schöner, so daß er sich beruhigt sagen konnte, er verdiene seine Diäten mit Schweiß und redlich.
    Voll Sorge und Erbitterung sah der Geheimrat Pflug, daß durch jüdische Machinationen die Verurteilung und Vernichtung des Süß ernstlich gefährdet und in Frage gestellt war. Sein trockener Fanatismus empörte sich, fraß ihm am Herzen, jagte ihn herum. Das Ziel war zu nahe gewesen; wäre es ihm nun doch entglitten, er hätte es nicht überwunden. Hager, bitter, besessen von seinem Zweck, keinem andern Argument zugänglich, saß er herum bei den Parlamentariern, die er als grimmigste Feinde des Süß kannte. Beriet unermüdlich mit Dom Bartelemi Pancorbo. Sparte nicht Geld, nicht Mühe. Flugschriften erschienen gegen den Juden, die Erbitterung des Volkes, daß die Mez, Bühler, Hallwachs so glimpflich davongekommen waren, wurde in ihrer ganzen Wucht gegen Süß gelenkt. Das Gerücht wurde ausgesprengt, auch Süß solle demnächst entlassen werden. Die Richter, von denen man annahm, sie würden milder sprechen, selbst der hochangesehene Harpprecht, wurden von allen Seiten bearbeitet, schließlich sogar im Wirtshaus belästigt. Es kam zu Rottierungen, Demonstrationen. »Der Jud muß hängen!« gaben Herr von Pflug und Dom Bartelemi die Weisung aus. »Der Jud muß hängen!« wetterte es im Parlament, von den Kanzeln. »Der Jud muß hängen!« brüllte das Volk, sangen es in einem eingängigen, gassenhauerischen Rhythmus die Buben, konstatierten schwerfällig und überzeugt in den einsamsten Höfen die Bauern.
    Durch solchen Druck erreichte Herr von Pflug, daß einzelne von den Richtern aus der Kommission ausschieden. An ihre Stelle traten persönliche Feinde des Süß, deren Votum sicher in seinem Sinn ausfallen mußte. Die früheren Minister Forstner und Negendank, die Süß gestürzt hatte; der unterKarl Alexander überall von Süß gehemmte kalte, glatte Ehrgeizling Andreas Heinrich von Schütz; ja, Herr von Pflug drehte

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