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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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natürlich, Süß in seiner jetzigen Lage sei leicht zu bekehren, und begann ihm sogleich höhnisch und salbungsvoll ins Gewissen zu reden. Der Jude sah achselzuckend durch diese unglückliche Wahl die letzte Hoffnung hinschwimmen, erwiderte, er denke nicht daran, überzutreten, gestand schlicht und klar, er habe ihn nur rufen lassen, um durch seine Vermittlung Audienz beim Herzog-Vormünder zu erwirken. Der Geistliche schnaubte, dies sei nicht seines Amtes, Süß erwiderte trocken, er danke für seinen Besuch.
    Allein der Stadtvikar kam wieder. Er war ein eifriger Herr, er hatte wohl bemerkt, wie übel es um den Körper des Juden stand, und er vermeinte, in einem mürben Körper müsse auch eine mürbe Seele stecken. Süß lächelte, als er ihn wiedersah. Er hörte ihn ruhig an und mit Aufmerksamkeit. Am Ende sagte er, kopfwiegend: »Religion ändern ist Sache füreinen freien Menschen und steht nicht wohl an einem Gefangenen.« Doch der Stadtvikar beschied sich nicht. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, diesen Mann, dessen Fama durch das ganze Römische Reich geflogen war, von den Wahrheiten der Augsburgischen Konfession zu überzeugen. Er brachte sogar einen Helfer mit, den Stiftsprediger Johann Konrad Rieger. Die beiden Herren Geistlichen arbeiteten sich ab; Johann Konrad Rieger breitete allen Samt seiner berühmten Rhetorik vor ihn hin, der Stadtvikar sekundierte, verstärkte, eine ganze Missionsgesellschaft konnte nicht mehr und gründlichere Argumente häufen. Aber Süß, als ein verstockter Jud, verharrte dennoch in seinem Irrtum.
    Die anderen Gefangenen, die Scheffer, Hallwachs, Bühler, Mez wurden sehr viel glimpflicher behandelt. Sie hatten verwandtschaftliche Beziehungen zu den Familien der Parlamentarier; ihre Prozesse wurden sänftlich geführt; es wurde umgebogen, umschrieben, vertuscht. Ihre, der vereidigten Beamten, Taten, Majestätsverbrechen und Hochverrat nach dem Gesetz, erschienen als immer weniger beträchtliche Vergehen; die Untersuchung wurde zur bloßen Formsache. Zuerst wurde der Hofkanzler von Scheffer freigesprochen, lediglich zur Bezahlung der Untersuchungskosten verurteilt; mit Beibehaltung seines Geheimratstitels und voller Pension zog er nach Tübingen. Dann wurden Bühler und Mez aus der Haft entlassen, am spätesten Hallwachs. Sie wurden des Landes verwiesen. Vorsichtshalber hatten sie von den großen Summen, die sie an den Unternehmungen des Süß verdient, das Wesentliche ins Ausland geschafft. Es wäre nicht not gewesen; man tastete ihren Besitz selbst im Herzoglichen nicht an. Sie zogen nun mit anderen früheren Mitarbeitern des Süß anderthalb Meilen weiter in die freie Reichsstadt Eßlingen, lebten in der freundlichen, angenehmen Stadt in Ruhe von ihren großen Vermögen, ließen sich täglich Besuch aus Stuttgart kommen, verfolgten als behagliche Zuschauer mit wohlwollendem Interesse den Prozeß gegen Süß. Wohl murrte man in Eßlingen zunächst gegen diese neuen Kömmlinge.Aber die veränderten Läufte hatten viele Emigranten wieder zurück ins Herzogliche geführt, man spürte in Eßlingen den finanziellen Ausfall und war am Ende froh, statt ihrer die neuen, viel verzehrenden Flüchtlinge der Gegenpartei innerhalb der Stadtmauern zu wissen. So fühlten sich also die Genossen des Süß bald wohl und warteten ab, bis etwa ein Regierungswechsel sie zurückriefe; der junge Herzog blieb ja nicht ewig unmündig, und Karl Rudolf war ein alter Herr.
    Das Vermögen des Süß, soweit es im Herzogtum gegriffen werden konnte, vor allem auch sein Palais, wurde vorläufig beschlagnahmt. Die Liquidierung der weitverzweigten, unübersichtlichen Geschäfte des Finanzdirektors machte ungeheure Schwierigkeiten. Dom Bartelemi Pancorbo mußte knirschend Nicklas Pfäffle zu Rate ziehen. Der blasse, fette Bursche fügte sich auch; doch stellte er in seiner gleichmütigen Art Bedingungen. Vor allem ließ er keine fremde Hand heran an Dinge, mit denen sein Herr in leiblicher Berührung gestanden war. Sowie der Portugiese hier anzutasten wagte, wurde Nicklas Pfäffle sogleich widerspenstig, verwirrte die Fäden der schwebenden Finanzangelegenheiten, übte passive Resistenz, und Dom Bartelemi mußte die dürren Finger wieder wegziehen von den Dingen, die ihm der stille Sekretär nicht erlaubte.
    Die Stute Assjadah fiel ab, so gut sie gehalten wurde, seitdem sie nicht mehr die Hand ihres Herrn spürte. Der Major Röder wollte sie haben, und der Portugiese sagte sie ihm zu. Doch Nicklas Pfäffle

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