Jud Sueß
alle. Ei, wie sprangen damals in der Pfalz die Seelen in den guten Glauben! Wie viele wurden auf so einfache Manier der ewigen Verdammnis entrissen. Zuerst die Beamten, die Familie hatten, die am meisten um ihre Existenz fürchteten. Ei, wie rasch sie von der alleinseligmachenden Lehre überzeugt waren, ei, wie sie die protestantische Ketzerei abschworen, ei, wie sie liefen, hasteten, die guten, wackeren Seelen, atemlos, in den Schoß der Kirche.
Man lachte, trank. Mancherlei Wege öffneten sich. Der Fürstbischof versprach, er werde durch seinen grundgescheuten Geheimrat Fichtel Richtlinien ausarbeiten lassen, speziell auf Württemberg zugeschnitten. Man trennte sich angeregt, voll Hoffnung.
Andern Tages erschienen bei dem Herzog drei kaiserliche Räte, mit ihm über den französischen Krieg zu beraten, in den der Kaiser unbesonnen hineingeglitten war. Karl Alexander, bis jetzt vor den kaiserlichen Räten immer nur Bittender, Lästiger, besoldeter General, blähte sich nun, umworben. Lässig, mit großer Geste, schmiß er den Ministern die zwölftausend Mann Subsidien hin, um die man ängstlich ihn bat. Mit vieler Verklausulierung und in dunklen Andeutungen versprach ihm dafür der kaiserliche Geheimvertrag Schutz und Mehrung seiner Souveränität gegen eventuelle Übergriffe seiner Landschaft.
Als der Herzog Wien verließ, küßte ihn die römische Majestät vor Hof und Volk auf beide Wangen.
Josef Süß, wie er den Tod Eberhard Ludwigs erfuhr, stand eine kurze Weile ohne Atem, den sehr roten Mund halb offen, die linke Hand gehoben wie in leichter Abwehr, alles Blut zum Herzen. Am Ziel. Er war am Ziel. Ganz plötzlich stand er oben. Er hatte es so heiß gewünscht, er hatte hochfahrend getan vor sich und den anderen, als stünde er längst oben, aber innerlich war er immer zernagt und zerschüttelt von Zweifeln gewesen. Und nun mit einemmal war es da, es war wie ein Treffer, ein einmaliger, unter hunderttausend Losen, er hatte die rechte Eingebung gehabt, und er stand stolz und geniehaft vor dem klugen Isaak Landauer, der gelächelt hatte und mit dem Kopf gewackelt über seinen Glauben an den kleinen Prinzen und sich die fröstelnden Hände gerieben.
Ah, nun wird er stolz und mächtig herschreiten. Hundert glänzende Säle taten sich auf vor ihm. Mit einem Ruck schnellte er hoch. Er wird jetzt, Gleicher unter Gleichen, mit den Großen der Welt an prunkenden Tafeln sitzen; die eben noch verächtlich den Fuß gegen ihn hoben, werden vor ihm den Rücken rund machen. Die ihn antichambrieren ließen, werden vor seiner Tür warten, bis er sie vorläßt. Und Frauen, weiße, glänzende, vornehme, die sich seine Liebe gnädig gefallen ließen, werden ihm jetzt bettelnd die stolzen Leiber zutragen. Mit Wucher wird er die Fußtritte zurückzahlen, die er hat hinnehmen müssen. Er wird sehr hoch thronen und wird sich weiden an seiner Dignité, er wird den großen Herren weisen, daß ein Jud den Kopf noch zehnmal höher tragen kann als sie.
Er verkaufte seine Häuser in Heidelberg und Mannheim, erließ in hochfahrendem Ton eine Bekanntmachung, wer im Pfälzischen Forderungen an ihn habe, möge sie präsentieren. Mittlerweile kaufte er unterderhand durch Mittelsleute in Stuttgart in der Seegasse das Palais einer heruntergekommenen Adelsfamilie, ließ es aufs prächtigste renovieren, ergänzteseine Dienerschaft, seine Garderobe, seinen Marstall. Traf umständliche Vorbereitungen, dem Herzog fürstlich und feierlich entgegenzufahren.
Unter solchen Anstalten fand ihn Isaak Landauer. Unansehnlich, schmuddelig saß der große Finanzmann in ungefälliger, eckiger Haltung in einem großen Sessel, wärmte sich die mageren, blutlosen Hände, durch seine Schläfenlocken, seinen Kaftan, seine verwahrloste Judentracht den Süß tief reizend. Er hatte, mußte Süß enttäuscht und geärgert konstatieren, offenbar weder Bewunderung noch Neid für ihn. »Ihr habt Glück gehabt, Reb Josef Süß«, sagte er, kopfwackelnd, gutmütig, leicht spöttisch. »Es hätte auch können schiefgehen, dann hättet Ihr Euer ganzes Geld an den Schlucker verloren.« – »Jetzt ist er jedenfalls kein Schlucker«, sagte Süß ägriert. »Das meine ich eben«, gab der andere bereitwillig zu. Und, vertraulich, autoritativ: »Was macht Ihr für Gewese und Gepränge und große Geschichten? Laßt Euch sagen von einem alten Geschäftsmann, es ist unpraktisch, es ist bloß zu Schaden. Was macht Ihr Euch dick und stellt Euch in die Sonne? Es ist nicht gut, wenn
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