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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sich ein Jud hinstellt, wo ihn alle sehen. Laßt Euch sagen von einem alten Geschäftsmann, ein Jud stellt sich besser in den Schatten.« Und mit einem kleinen, gurgelnden Lachen: »Eine Schuldverschreibung in der Truhe ist besser als eine Goldbordüre am Rock.« Und gutmütig, mit sachtem Spott, prüfte er die Stickerei an den Ärmeln des Süß, während der andere, angewidert fast, sich ihm zu entziehen suchte.
    So sind diese Jungen, dachte Isaak Landauer, als er den Süß verlassen hatte. Sie sinken, sinken bis zu den Gojim. Sie brauchen Lärm, Glanz, gestickte Röcke. Sie müssen sich bestätigt fühlen von den anderen. Von dem feinen, heimlichen Triumph in Kaftan und Schläfenlöckchen ahnen sie nichts, diese Flächlinge.
    Süß höhnte vor sich: Wie feig er ist. Immer sich verstecken. Wozu denn Macht, wenn man sie nicht sehen läßt? Diese dummen, ängstlichen, altmodischen Vorurteile. Nur ja die Christennicht aufmerksam machen. Nur ja sich in den Schatten dukken. Gerade ins Licht stellen werde ich mich und allen mitten ins Aug schaun.
    Mit großer Pracht fuhr er nach Frankfurt. Besuchte seine Mutter, sich ihr in seinem Glanz zu zeigen. Die schöne alte Dame – von ihr hatte er das sehr weiße Gesicht und die wölbigen, fliegenden Augen – lebte in behaglichem Wohlstand ein leeres Leben. Ach, wie waren früher ihre Tage erfüllt gewesen. Mit gehetzten Pferden hatte die Schauspielerin Michaele Deutschland durchjagt, und alle Straßen waren voll von Männern, Abenteuern, Begierden, Triumphen, Kümmernissen, Wirbel gewesen. Jetzt ließ sich ihr Dasein nur mehr äußerlich mit den Farben von Erlebnissen antünchen, sie mußte jedes Nichts aufblasen, um den Schein von Wichtigkeit und Geschäftigkeit zu wahren, sie füllte die Stunden mit Körperpflege, unterhielt eine vielfältige, lärmende Korrespondenz, kroch in das Leben ihrer zahllosen Bekannten hinein. Süß blähte und spiegelte sich vor ihr, sie weidete sich an seinem Glanz, sog, die Augen groß und töricht, seine lärmenden, gedunsenen Prahlereien ein. Er, vor der willigen, bewundernden Hörerin, steigerte sich immer höher.
    In den farbigen Schaum ihrer Reden hinein erschien Rabbi Gabriel. Eben noch hatte mit lüsternem Triumph Süß von den Frauen geredet, die sich in seinen Zimmern drängten, und Michaele hatte gierig zugehört. Jetzt zerdrückte das breite, steinerne, mürrische Antlitz des Alten alle diese leichten, bunten Gesichte wie ein gewaltiger Block. Ja, er wußte, daß der neue Herzog schon von Wien aufgebrochen war, bald eintreffen werde. Süß war natürlich auf dem Weg zu ihm. Er sprach mit so kaltem, müdem Spott, daß alles Errungene kahl und zweifelswürdig erschien. Dann fragte er beiläufig, wann endlich Süß nach Hirsau kommen werde, das Kind habe seinen Anblick not. Da Süß sich wand, ausbog, bestand er nicht weiter, nur die drei Falten vertieften sich in der Stirn. Er sah von der Mutter zum Sohn, vom Sohn zur Mutter. Ging bald.
    Michaele war fahrig, flatternd, ängstlich wirr wie ein hirnloser Vogel gewesen, solang er da war. Süß hatte die Mutter noch nie in seiner Gegenwart gesehen. Auch er holte nur mühsam seinen in allen Ecken geschlagenen Stolz und großen Glanz wieder zusammen. Langsam und nicht ganz sicher stelzte er sich den alten Prunk wieder an und machte sich vorsichtig lustig über den Alten. Allein die Mutter stimmte nicht ein, und sein Abschied war nicht ganz so strahlend und befriedigt wie sein Auftritt.
    In rascher Fahrt nach Regensburg. Lärmend, in heiterster Laune empfing ihn der Herzog. Sehr rot unter der weißen Perücke fiel ihn Remchingen mit groben Witzen an; er mochte die Juden nicht leiden, der da mit seiner überhöflichen, geschmeidigen Art war ihm doppelt zuwider. Auch der alte Thurn und Taxis verhielt sich reserviert; er hatte es dem Juden nicht vergessen, daß er damals in Monbijou mit seinem blaßgelben Salon seinen blaßgelben Frack geschlagen hatte.
    Sehr wohlgefällig aber und amüsiert lächelte ihm die Herzogin entgegen. Ziervoll hob sich die schmale Taille mit dem spöttischen Kopf aus dem mächtig ausschweifenden, dunkelblauen Samtrock, in dem das winzige Hündchen fast verschwand. Gnädig reichte sie dem Juden zum Kuß die kleine, fleischige, gepflegte Hand, während sie mit der andern artig und preziös, wie es die Sitte vorschrieb, die obersten Falten des Rockes hielt. Ei, was mochte er für dunkle und ruchlose Gedanken mit in ihre Hand hineingeküßt haben. Er hatte noch immer diese

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