Jud Sueß
bei Leib- und Lebensstrafe jede respektlose Äußerung gegen die herzoglichen Verordnungen, jede Turbierung und Unruhestiftung. Es wurden auch etwelche Raunzer und Nörgler festgenommen und prozessiert. Die gelle Empörung verstummte, aber die Flüche murrten weiter, wo man vor Lauschern sicher war. Stumpf stierten die Weiber nach Westen, wohin die Söhne, die Liebsten verschwunden waren, aufgegriffen, knirschend, in die alberne, verfluchte Uniform gepreßt. Über ihren schlecht bestellten Äckern knurrten die Bauern: O die schönen, fetten, glatten Rösser! Jetzt werden sie zu Schindmähren gerackert vor diesen saudummen Kanonen!
Dem Süß rührte diese Stimmung nicht die Haut. In der Kurpfalz, als er dort das Stempelpapier eingeführt hatte, war er an Aufläufe vor seinem Haus, Beschimpfungen, Pasquille gewöhnt worden; das prallte ab von ihm wie Wasser von einer Teerjacke. Wer konnte an ihn heran? Er saß an der Macht, er war der nächste Ratgeber des Fürsten, keiner wußte ihn so zu behandeln wie er. Keiner verstand es wie er, mit unterwürfiger, demütiger Miene die bollernden Zornausbrüche des jähen, an soldatische Unterordnung gewöhnten Mannes hinzunehmen und sich, hinausgejagt, als wäre nichts geschehen, eine Stunde später von neuem zu präsentieren. Die Beamten des Herzogs hatten Weisung, sich in allen geldlichen Dingen unbedingt an seine, des Hoffaktors, Ratschläge zu halten, keine Finanzverordnung ging aus ohne sein Wissen und Willen. Und was wäre nicht mit Geld verquickt gewesen? Wer die Finanzen regierte, regierte das Land.
Mit geblähten Nüstern, wohlig, schnupperte Süß die Luft der Macht, in der er jetzt lebte. Seit seinen glücklichen Maßnahmen zur Auffüllung des Heeres war er der eigentlicheHerrscher im Herzogtum. Er war sehr hoch, er war nah am Gipfel, es überrieselte den Rücken wie laues Wasser, sah man hinunter, wo es kribbelte und sich abzappelte, um heraufzuklimmen. Manchmal wohl, wenn sein Vorzimmer voll war von Wartenden, Ängstlichen, Bittstellern, ging er allein in seinem Arbeitskabinett auf und ab, die sehr roten Lippen in dem weißen Gesicht lächelnd offen, lauschte hinaus auf das Geflüster, das kaum hörbar hereindrang, dehnte die Brust, atmete, lächelte, schickte die ganze Antichambre wieder fort, ohne sie zu empfangen. Oh, es war süß, süß und herrlich war es, Macht zu haben unter den Menschen. Nicht ohne wohlig schauernden Kitzel spürte er den geduckten, ohnmächtigen Haß, der sein Gesicht servil grüßte, seinen Rücken bespie. Haß des Volkes ist gut, hatte Isaak Landauer gesagt, Haß bedeutet Macht, Haß bedeutet Kredit.
Ein Wort wurde ihm hinterbracht, das im Volk umging; der kleine, feiste, schweinsäugige Konditor Benz hatte es aufgebracht, der im Wirtshaus »Zum Blauen Bock« mit anderen Kleinbürgern zu politisieren pflegte: unterm vorigen Herzog hat eine Hur regiert, unterm jetzigen ein Jud. Süß ließ den Konditor vor sich kommen, der kleine, feiste Mann, schwitzend, mit feig ausweichenden Augen, leugnete. Süß versammelte sein ganzes Hausgesind, und vor den Grinsenden, Sichanstoßenden, die alle wußten, daß er das Wort geprägt hatte, mußte der kurzhalsige, schnaufende Mensch auf Ehr und Gewissen und bei seinem Heiland versichern, er wisse nichts davon und habe sich nie ein respektloses Wort über Seine Exzellenz erlaubt. Dann, dem lächelnden Süß die Hand küssend, nach rückwärts schreitend, konnte er sich entfernen. Süß aber klagte fromm dem Herzog, wie er um der treuen Dienste willen, die er ihm leiste, beim Volk in Verruf komme.
Er führte sein Haus auf fürstliche Art. Als Innenarchitekten hatte er einen Sizilianer berufen, den Meister Ubaldo Raineri, der vor allem durch Aufträge des französischen Hochadels bekannt und in Mode war. Seine Gemächer strotztenvon prunkvollen Teppichen, Gobelins, von verschnörkelten, geschweiften Möbeln, von Stuck, von Lapislazuli und Gold, von Vasen und Büsten. Neben Homer, Solon und Aristoteles hatte der Architekt, war es Unschuld oder Hohn, die Büsten des Moses und des Salomo gestellt. Auf dem Deckengemälde des Speisesaals spreizte sich in vielfigurigem Fresko der Triumph des Merkur. Auf der Decke des Schlafzimmers aber ergötzte sich schlaff und schleierigen Auges Leda mit dem Schwan; von dem Prunkbett, das nackt, frech und mächtig zwischen zahlreichen Spiegeln stand, schwatzten, breit und grob lachend, die Bürger in den Wirtshäusern, wisperten gekitzelt die jungen Mädchen. Er war stolz
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