Jud Sueß
darauf, als erster im westlichen Deutschland die von Paris kultivierte exotische Mode einzubürgern. Figuren von Chinesen, kleine, klingelnde Pagoden standen in seltsamem Widerspiel zwischen Moses und Solon, zwischen Homer, Salomo und Aristoteles. Das Erstaunen und die Freude der Damen aber war in seinem vergoldeten Bauer der Papagei Akiba, der »Bonjour, madame« krächzte und »Wie geruhen Euer Durchlaucht geschlafen zu haben?« und »Ma vie pour mon souverain«. Seine Tafel war erlesener als sonst eine im Land, er speiste nur von Gold und Silber, es war ein Wunder, woher er alle die fremden Fleischsorten, Muscheln, Früchte nahm, die, bisher in Schwaben nie gesehen, jeden Monat neue, auf seinen Tisch kamen. Mit scheelen Blicken sah der Konditor Benz auf die Kuchen, süßen Pasteten, Kunstwerke aus Eis und Früchten, die der welsche Konfiseur des Juden auf ziervolle, immer wechselnde Manier bereitete.
Die weinrote, silberknöpfige Livree des Juden war bald überall bekannt. Er hielt sich Sekretär, Bibliothekar, Läufer, Heiducken, Koch, Kellerer. Duch die Domestiken schritt mit fettem, blassem, phlegmatischem, unbeteiligtem Gesicht Nicklas Pfäffle, sah alles, ordnete, ergänzte. Der Kammerdiener des Süß hatte schwere Arbeit. Den »Mercure galant« mußte er auswendig wissen. Der Geheime Finanzienrat legte Wert darauf, der eleganteste Herr im Herzogtum zu heißen,seine Garderobe wurde alle zwei, drei Wochen ergänzt. Er hatte eine wilde Vorliebe für Schmuck. Der Solitär, den er am Finger trug, war berühmt, die Schnallen der Schuhe, auch die Handschuhe waren mit der Mode wechselnd steinbesetzt. In seinem Boudoir wie in seinem prunkenden Schlafzimmer waren Vitrinen mit Schmuck aufgestellt, durch seine Beziehungen zu den Amsterdamer und zu gewissen italienischen Juwelieren immer anders und reizvoll aufgefüllt. Er pflegte aus diesen Kästen seine Besucherinnen, Damen des Hochadels ebenso wie Mädchen aus dem Volke, zu beschenken. Man höhnte, schimpfte grimmig darüber, verspottete ihn ins Gesicht, daß er solche Mittel brauche; aber er lächelte, er wußte, gegen diese Manier gab es keinen Widerstand, die Beschenkte blieb ihm, gierig, verhaftet. An die Herren aber pflegte er, dies war sein Lieblingshandel, scharf und hart feilschend, Juwelen zu verschachern. Es war herrlich, die kleinen Kostbarkeiten, so viele, durch seine Hände rieseln zu lassen, einen kleinen Stein gegen Haufen Goldes zu vertauschen und wieder Haufen Goldes gegen einen kleinen Stein, spürend: soviel Macht lag in dem kleinen Stein.
Nicht groß, aber erlesen war sein Marstall. Er handelte gern um Pferde mit großen Herren bis hinauf nach Holland. Kaufte, verkaufte, tauschte. Die drei schönen Araber der Herzogin hatte er beschafft. Auch für den eigenen Gebrauch hielt er sich einen arabischen Schimmel, die Stute Assjadah, zu deutsch Die Morgenländische. Der Levantiner Daniele Foa hatte sie ihm verkauft, sie stammte aus den Ställen des Kalifen. Er liebte die Stute nicht eigentlich, aber er hielt sie gut; er wußte, wie prinzlich er auf dem nicht großen, nervösen, ziervollen Tier aussah. Selbst der Polterer Remchingen mußte dem Süß zugestehen, zu Pferde sehe er fast aus wie unsereins.
Der Zutritt zu Süß war schwerer zu erlangen als zum Herzog. Es kostete viele Briefe, Gelauf und Schererei, bis man eine Stunde zur Audienz bestimmt bekam, und dann oft schickte er den Wartenden wieder weg. Er war des Herzogs Bankier und hatte den Titel Geheimer Finanzienrat. Nichtssonst; nie stand unter einem politischen Akt seine Unterschrift. Die Verfassung verbot dem Juden jedes Staatsamt, und Süß war klug genug, sich vorläufig mit dem Besitz der Macht auch ohne ihre Titel zufriedenzugeben. Er wußte, kein Minister, auch der Herzog nicht, der fast immer bei der Armee weilte, er, er war der Regent des Herzogtums. Ihm warteten die Fremden von Stand auf, zu den kleinen Zirkeln, die er um sich versammelte – klüglich noch mied er es, größere Feste zu geben –, drängte man sich eifriger als zu den Assembleen der Minister. Schon bildete sich eine Partei, die offen zu ihm hielt, darauf sah, ihn zu begleiten, wenn er ausritt, sein Genie und seine Geschicklichkeit, seine Verdienste um Herzog und Volk vor aller Welt rühmte, ihn wie ein Hofstaat umgab. Der Tübinger Jurist Johann Theodor von Scheffer, Regierungsrat, ausgezeichneter Kenner des Staatsrechts, war einer der ersten, die sich offen zu ihm bekannten, die Räte Bühler und Mez von der
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