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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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herzoglichen Kammer folgten, der Waisenhauspfleger Hallwachs, der Requettenmeister Knab, die Räte Crantz, Thill, von Grunweiler. Der Domänenpräsident von Lamprechts gar schickte seine beiden jungen Söhne in den Dienst des Finanzienrats, daß sie bei ihm Manier und höfische Sitte lernten wie Pagen. Die hebräische Garde taufte man diesen Hofstaat, der Kammerdirektor Georgii hatte das Wort erfunden, Süß vergaß es ihm nicht, und man machte sich mit vielen billigen Witzen lustig über die Judenzer. Bald aber zeigte es sich, daß diese Judenzer den Mantel nach der rechten Seite gehängt hatten. Immer klarer erwies es sich, daß das Haus in der Seegasse die eigentliche Residenz des Herzogtums war. Auch die mächtige Hakennase des Geheimrats von Schütz tauchte jetzt in den Sälen des Süß auf, der finstere, verzehrte Landschaftskonsulent Neuffer sog als grimmige Bestätigung menschlicher Niedertracht die Atmosphäre des Juden ein, und leicht, elegant, geschmeidig schnupperte sie der kluge, neugierige Weißensee.
    Die Frauen, die an dem Palais in der Seestraße vorübergingen, schielten neugierig und gekitzelt durch die mächtigenTorflügel in die Vorhalle, wo massig in seiner weinroten, silberknöpfigen Livree der Huissier ragte. Ritt Süß auf seinem Araberschimmel glänzend durch die Straßen, so langten voll begehrlichen Grauens viele Frauenblicke nach ihm. Man wisperte wilde, unheimliche und lüsterne Geschichten von ihm, wie er in Frauenfleisch wühle, wüte, sich mit schwarzen Mitteln den Frauen ins Blut brenne, sie dem Teufel verschreibe. Der Herzog hielt mehr auf den Geschmack seines Juden als auf den seiner anderen Vertrauten, und Süß mußte dem Unersättlichen unter allen möglichen Vorwänden immer neue Weiber ins Lager schicken. Machte sich Remchingen lustig über die Orgien des Beschnittenen, medisierte er neidisch, er kapiere nicht, wie ein anständiges Christenmensch dem Hebräer ins Bett kriechen könne, er müsse heillose schwarze Magie brauchen, so lachte dröhnend der Herzog, ein wohlschaffenes Gesicht und stramme Schenkel seien die beste Magie. Auch betraute er den Süß, ihm die Weiber für Oper und Ballett auszuwählen, und manchmal lachte er, der Jud sei ein Lecker und habe ihm aus vielen Schüsseln vorgeschmaust. Es zog auch ein langer Zug von Frauen, jungen und reifen, blonden und schwarzen, schwäbischen und welschen, lauen und heißen durch das vielspiegelige Schlafzimmer unter der üppigen Leda des Deckengemäldes. Doch der Jude, so prahlerisch er sonst sich spreizte, versperrte sich zäh und verriet keinen seiner Erfolge, die schweren, die ihn stolz machten, sowenig wie die zahllosen sehr leichten. Unter den vielen lärmenden, protzenden Kavalieren war er der einzig Schweigende, und weder die joviale Zudringlichkeit Karl Alexanders noch die verbindlich schmeichelnde Neugier Weißensees noch die grob spöttischen Anzapfungen Remchingens konnten seiner ausweichenden Liebenswürdigkeit die leiseste Andeutung entlocken. Wenn dennoch bei Hof, in den Schenken, unter den Soldaten viele saftige, ungewöhnliche, sicher nicht erfundene Details aus dem Bett des Juden begrinst, begeifert, belacht, bezotet wurden, so trugen des jene Frauen Schuld, die, stolz auf den gefährlichen, so anderen, von aller weiblichen Neugier umwittertenMann, ihre unheimliche Heimlichkeit einer Freundin unter vielen Schweigensbeschwörungen, Kichern, Tränen in den Busen flüstern mußten.
    Als der Jude sein Palais fertig installiert hatte, kam auf seine dringlich ergebene Einladung, begleitet von Remchingen, die Herzogin, sein Haus zu inspizieren. Preziös trug sie den kleinen, ziervollen Kopf von der Farbe alten, edlen Marmors durch die strahlenden Räume, äugte aus den langen, fließenden Eidechsenaugen auf die Chinoiserien, lächelte vor dem Papagei Akiba, der »Ma vie pour mon souverain« krächzte, klingelte mit den kleinen, sehr gepflegten Fingern an den Miniaturpagoden, ließ sich von Süß einen merkwürdig geformten, nicht sehr wertvollen Giftring schenken, schritt mit kleinen, gleitenden Füßen an den tief sich neigenden weinroten Lakaien vorbei zu den Ställen und reichte der edlen Schimmelstute Assjadah ein Stück Zucker. Genoß befriedigt die hemmungslose Ergebenheit des Süß. Andere hatten kleine Mohren, einen Schwarzbraunen vielleicht, ihrethalb sogar einen Chineser; aber so einen Juden mit Haus und Papagei und solch einem feinen Schimmel, santa madre di Loretto, den konnte nicht einmal Versailles

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