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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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verstärkt, sein Asthma bedrängte ihn.
    Eine Diligence kam entgegen, bog respektvoll aus vor der herzoglichen Kutsche, hielt. Unter den in Demut erlöschenden Gesichtern erkannte Karl Alexander ein mürrisches, unerregt grüßendes. Breit, blaß, platte Nase unter mächtiger Stirn, trübgraue Augen. Er erschrak leicht, es war ihm, als höre er die knarrige Stimme: »Das Erste sag ich Euch nicht.« Jäh schnürte ihn unheimliche Gebundenheit. Er sah sich plötzlich schreiten in einem stummen, schattenhaften Tanz, der Rabbi vor ihm hielt seine rechte, Süß hinter ihm seine linke Hand. Schritt da ganz vorne, durch viele Hände mit ihm verstrickt, nicht auch der dicke, lustige Friedrich Karl, der Schönborn, der Würzburger Bischof? Wie schaurig possierlich er aussah. Und alles war trüb, nebelhaft, farblos. Tiefer verdrossen fuhr er weiter.
    In Stuttgart hob sich von allen Seiten Ärgerliches. Die Herzogin hatte ihn erfreut begrüßt; in der Nacht dann, in seinem Arm, hatte sie in ihrer leisen, leicht spöttischen Art gefragt, was er ihr alles Schönes in Versailles erbeutet habe; als Braut habe sie geträumt, er werde dem französischen Ludwig die Perücke herunterreißen und sie ihr als Trophäe bringen. Es war gewiß harmlose Neckerei gewesen, aber ihn hatte sie tief gewurmt.
    Dann rückte mit seiner langweiligen, zähen, enervierenden Nörgelei und Reklamiererei der parlamentarische Ausschuß an. Verlangte in einer zweiten Audienz dringlich und unumwunden jetzt, nach erfolgtem Friedensschluß, Abrüstung. Blaurot lief der Herzog an, der Atem setzte ihm aus. Nur mühsam zwang er sich, die Deputation anzuhören, nicht mit Fäusten über sie herzufallen, sie nicht verhaften, nicht kreuzweisschließen zu lassen. Höchst unwirsch und ungnädig, unter Atemnot und Husten, Flüche und Beschimpfungen polternd, jagte er schließlich die Verängstigten, Entsetzten fort. Berief den Süß.
    Der trug, wie stets, ein fertiges Projekt in der Tasche. Karl Alexander empfing ihn nach dem Bad, im Schlafrock, der Neuffer rieb ihm den lahmenden Fuß, der Schwarzbraune lief, mit Tüchern, Kämmen, Bürsten, ab und zu. Lächelnd, verbindlich setzte Süß den feinen, giftigen Plan auseinander. In einer so wichtigen Angelegenheit solle Seine Durchlaucht sich nicht begnügen, mit den elf Herren des parlamentarischen Ausschusses zu verhandeln. Der Ausschuß müsse aus den übrigen Abgeordneten verstärkt werden.
    Was damit gewonnen sei, fragte der Herzog, die blauen, gewalttätigen Augen unverwandt auf dem glatten, lächelnden, gewandten Mund des Juden.
    Es seien natürlich, fuhr Süß leichthin und fließend fort, bei solcher Ergänzung nur diejenigen Deputierten beizuziehen, deren treue und loyale Gesinnung gegen den Herzog feststehe.
    Karl Alexander sah dem Juden aufmerksam auf die Lippen, dachte scharf nach, wandte die Worte des Süß hin und her. Begriff, daß auf diese Art die Opposition mühelos aus dem Parlament ausgeschaltet, die Landschaft in eine Vereinigung ohnmächtiger Hanswürste gewandelt werden könnte. Sprang auf, daß der Kammerdiener Neuffer, der ihm den lahmenden Fuß rieb, zurücktaumelte. »Er ist ein Genie, Süß!« jubelte er los, stapfte, den einen Fuß bloß, im Zimmer herum, aufgewühlt. Der Schwarzbraune, in seinen Winkel zurückgewichen, folgte mit langsamen, rollenden Augen den Bewegungen seines Herrn. Dann, mit einem Ruck, blieb Karl Alexander stehen, zweifelnd, fragte bedenklich, wie denn die zuverlässigen Abgeordneten herauszufischen seien. Doch Süß, bescheidenstolz lächelnd, erwiderte, der Herzog möge ihm das überlassen, ihn, sei ein einziger Aufrührer unter den beigezogenen Deputierten, mit Schimpf und Schande über die Grenze jagen.
    Denselben Abend noch konferierte Süß mit Weißensee. Teilte ihm mit, der Herzog halte es für notwendig, in einer so wichtigen Affäre den Ausschuß zu verstärken; wer wohl nach des Prälaten Meinung von den Abgeordneten Verständnis für die großen Probleme und Sinn genug für die europäische Bedeutung Karl Alexanders habe, um mit Gewinn für den Fürsten und somit fürs Volk bei solcher Ergänzung beigezogen zu werden. Behutsam saß der andere, rühmte die Umsicht und Gewissenhaftigkeit des Herzogs, nannte nach langen Umschweifen, zögernd, vorsichtig, zwei, drei Namen. Bog sogleich wieder ab und sprach, verbindlich, von anderem Belanglosem. Süß ging höflich darauf ein, meinte dann, gelegentlich, beiläufig, der Präsident des Hofkirchenrats scheine dem

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