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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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hätte nicht gebangt, auch diesem wütigen Nebukadnezar ihre zornige Verachtung ins Gesicht zu glühen. Jetzt fühlte sie nur Widerwillen, sie war so müd und traurig, und Gott blieb im Dunkel sitzen, Gott würdigte sie keiner Antwort, Gott verwarf sie.
    Sie hörte wieder die laute, polternde Stimme Karl Alexanders. Sie solle nicht glauben, er verstehe gar nichts von ihren Dingen. In Venedig habe er sich viel mit Geistersehern abgegeben, und wenn er auch keinen Swedenborg gelesen habe, so kenne er doch auch in Deutschland einen Magus, der in die Zukunft schauen könne und erstaunlich gute Relation mit unserm Herrgott habe. Es sei freilich ein alter Jud, Magdalen Sibylle sei ihm lieber, und wenn er fürderhin eine Auskunft vom lieben Gott brauche, rechne er darauf, daß er sich an sie wenden dürfe. Dabei nahm er ihr die Larve ab, und seine gefräßigen und gewalttätigen Augen drangen zügellos auf sie ein.
    Es war furchtbar heiß im Wintergarten, die fremdartigen Bäume und Gewächse bewegten sich im Schein der Kerzen wie Menschen, Musik schwamm erregend herein, Magdalen Sibylle hatte rasende Kopfschmerzen, die Augen und die Worte des Herzogs zerrten an ihr wie etwas Scharfes, Schneidendes. Sie sah, wie die Worte herauskamen aus seinem üppigen, geilen und bedrohlichen Mund, auf sie zukamen, sie stachen, zwickten, an der Haut ihrer Seele rissen. Sie fühlte sich gespannt zum Zerreißen, gleich wird sie etwas Wildes, Unsinniges tun; da, im letzten Augenblick, erlöst sie ein Page der Herzogin, bringt ihr den Auftrag, Ihrer Durchlaucht aufzuwarten.
    Marie Auguste saß in einem größeren Kreis. Süß war um sie, Herr von Riolles, der Geheimrat Schütz, dann der jungeAktuarius Götz, blond, dumm, frisch, aus einer der angesehensten Familien, im Schäferkostüm, mit seiner Mutter, der Geheimrätin Götz, und seiner Schwester Elisabeth Salomea. Die beiden Damen, Mutter und Tochter, sahen sich lächerlich ähnlich, sie sahen aus wie Schwestern, beide blaßfarbig, zart und langgliedrig, sehr hübsch, mit hellem, reichem Haar und großen, schwärmerischen, törichten Augen. Sie saßen, flachsblond und lieblich, in nicht sehr originellen, etwas aus der Mode gekommenen Schäferinnenkostümen, und himmelten mit ihren hellen, naiven Stimmen, ihren liebenswerten, unklugen Augen die Herzogin an. Eben schritt träg und statiös die Sophie Fischerin zurück in den Wintergarten, die schöne, üppige Mätresse des Süß, und Marie Auguste konnte sich nicht enthalten, ihren Hausjuden ein weniges mit ihr aufzuziehen. Der hatte nämlich, offenbar als Entgelt für die Tochter, die Ernennung des Vaters, des Kammerfiskals Fischer, zum Expeditionsrat durchgesetzt. Süß stand in seinem sarazenischen Kostüm männlich rank und elegant vor den Damen; gewandt und unverlegen spöttelte er zurück, gewiß, die Jungfer Fischerin sei ihm eine liebe und willkommene Hausdame gewesen; aber nachdem Seine Durchlaucht geruht hätten, ihren Vater in ein so angesehenes Amt zu erheben, könne er ihre Dienste doch wohl nicht mehr in Anspruch nehmen; die Tochter eines so hohen Beamten, das schicke sich doch nicht. Er lächelte und schloß frech-gleichgültig, er werde sie also morgen aus seinem Hause entlassen. Die kleine Gesellschaft war erstaunt über die zynische Offenheit, mit der er seine Mätresse so elegant höhnend entlohnte und entließ. Die Herzogin amüsierte sich, auch Herrn von Schütz gefiel diese weltmännische Art offensichtlich, der junge, dumme Aktuarius Götz wußte nicht recht, was er machen solle, er legte großes Gewicht auf korrekte Form, er wußte nicht, solle er dem Juden beipflichten oder ihm zu Leib, er entschied sich schließlich für ein stummes, martialisches Gesicht. Die zarten und süßen Damen Götz aber, Mutter wie Tochter, bestaunten die überlegene Eleganz, mit der dieserKavalier eine Amour beendete, und schauten voll Bewunderung und zärtlichen Interesses zu ihm auf.
    In diesen Kreis trat jetzt Magdalen Sibylle. Die Herzogin hatte bemerkt, wie sehr sich Karl Alexander mit ihr beschäftigte, auch ihr gefiel das Mädchen mit dem bräunlich kühnen, bewegten Antlitz und dem seltsamen Widerspiel der blauen Augen zu dem dunklen Haar. Neugierig wollte sie näher beschauen, was an ihr Attraktives sei. Sie reichte ihr wohlwollend die Hand zum Kuß, betrachtete sie lässig und ungeniert. Magdalen Sibylle hatte einen kleinen, scheuen Seitenblick hinüber zu Süß. Der hatte sich, wie sie kam, tief verneigt, jetzt stand er ernst und

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