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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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zwei stoßgierige Raubvögel, alt, kahl, ungeheuer erfahren der eine, der andere kleiner, jünger, spielerisch wilder.
    »Feine Steine, gute Steine«, sagte Dom Bartelemi. »Aber ein Dreck gegen den Solitär. Laßt mich Euren Solitär anschauen«, sagte er zu Süß. Und, den Solitär zärtlich zwischen den Spinnenfingern, bellte er mit seiner kellerigen Stimme durch die aufhorchenden Gäste: »Was verlangt Ihr für den Stein, Herr Finanzdirektor?« – »Ich verkauf ihn nicht«, sagte Süß. »Ich biete Euch die pfälzische Tabakmanufaktur«, drängte der Portugiese. »Ich verkauf ihn nicht«, wiederholte heftig der Jude. Zögernd gab Dom Bartelemi den Stein zurück, und die Herzogin erklärte: »Nun steckt sich mein Jud die pfälzische Tabakmanufaktur an den Finger.«
    Aber da schickte der welsche Konfiseur das Dessert herein. Es war ein herrliches Kunstwerk, und der Konditor Benz hätte eine Woche nicht schlafen können vor Neid, wenn er es gesehen hätte. Es stellte aus Kuchen und Gefrorenem Festungen dar, die Karl Alexander erobert hatte, und ein ganz besonders bewundertes Schaustück bildete den Triumph des Merkur nach, der oben auf der Decke posaunte.
    Nach Tafel, während der Ball beginnt, sitzt das Herzogspaar mit den bevorzugtesten der Gäste im Wintergarten. Marie Auguste medisiert mit Herrn von Riolles, der in seinem weiten Kimono mit dem kahlen, beweglichen, gelüstigen Gesicht unter den Pflanzen wie ein maskierter Affe wirkt. Dom Bartelemi klopft und kratzt an Stuck, Marmor, Lapislazuli herum, steht vor den Schmuckvitrinen. Aber der Geheimrat Fichtel sitzt vor seinem Kaffee und führt mit seinem Freund Weißensee ein hintergründiges, umwegiges diplomatisches Gespräch. Und Remchingen läßt seinen Unmut über die Herzogin an Süß aus und überschüttet den Gelassenen, Höflichen mit plump unflätigen Späßen.
    Abseits sitzt der Herzog mit Magdalen Sibylle. Gleich nach Tafel, er hat stark getrunken, hat er dem Süß einen Wink gegeben, er solle ihm sein Schlafzimmer und das Kabinett überlassenund die Magdalen Sibylle auf irgendeine Manier dorthin bringen. Den Süß, wie er das hörte, stach es fein und ganz spitz, er sah das Mädchen, wie sie ihn im Wald das erstemal erblickte und schrie und davonlief, und später in seinem Arbeitszimmer, wie sie umfiel und bräunlich-fahl und ohnmächtig und sehr jung dalag; eigentlich gehörte die Magdalen Sibylle ganz ihm, man brauchte keine scharfen Augen zu haben und sah, daß das Mädel ein einziger Drang zu ihm war, und er hatte, wie jetzt Karl Alexander von ihr sprach, eine rasende Begier nach ihr. Aber er war so gewohnt, daß erst das Geschäft und der Herzog kam und Weiber und Geilheit und Sentiment erst hinterher, daß er sogleich mit dem üblichen hemmungslos ergebenen Blick sagte, er freue sich, Seiner Hoheit dienen zu dürfen. Er mache Seine Durchlaucht bloß submissest darauf aufmerksam, daß die Demoiselle, soviel er wisse, eine Erweckte sei, somit schwer traktabel und leicht Zustände kriegend; auch sei seines Bedünkens dieses Faß noch nicht angestochen. »Hat Er’s probiert?« lachte schallend der Herzog, und nochmals: »Hat Er’s probiert?« Und gerade nach so was jücke es ihn heut, und daß sie eine Pietistin sei, würze den Braten doppelt. Und er nickte dem Weißensee, der nicht fern mit Fichtel und Schütz Konversation machte, jovial und gnädig zu.
    Wie er jetzt mit ihr im Wintergarten saß, begann er also, sie um ihre Pietisterei zu hänseln. Er sei zwar ein Katholik und ganz gemeiner Ketzer, aber sein Hofkirchenrat, der doch darin kompetent sein müsse, ihr Herr Vater voran, sei gar nicht einverstanden mit den schwärmerischen Lehrmeinungen; er habe erst gestern ein Reskript unterzeichnen müssen, das einer gewissen Frau von Molk die Abhaltung sektiererischer Zusammenkünfte bei schwerer Strafe verbiete. Wie er die Beata Sturmin gesehen habe, die Heilige, das Haupt der ganzen Bewegung, habe er sich gedacht, so viel sei sicher, daß der Umgang mit Engeln eine Frau nicht just reizvoll mache; jetzt, da er sie kenne, die Magdalen Sibylle, vermeine er, daß der Verkehr mit Gott und den Engeln doch viel für sich habe.Ob sie ihn nicht ein weniges unterweisen wolle. Magdalen Sibylle hörte dem platten Gewitzel gequält zu. Sie hatte Furcht vor Karl Alexander, vor seinem erhitzten Gesicht, seinen gefräßigen Augen. Seine Frivolitäten reizten sie nicht, sie fühlte sich leer von Gott, sonst wäre sie ob solcher Lästerung wohl aufgewallt und

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