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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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tausendjährigem Trotz zu lassen. Aber wenn dieser Trotz und arge Verstocktheit erst abfalle, dann sei die Seele wie befreit von bösem Schorf und bade in Gott wie in liebem, lauem, sichtigem Wasser. Dergleichen redete sie mehr und dringlich und streckte ihm im Eifer die Hand hin.
    Süß hatte sich mit der ihm eigenen Flinkheit auf das pietistische Diktionär eingestellt, er ergriff ihre Hand, begann eine rasch präparierte Antwort, und sie waren beide auf dem besten Wege, als plötzlich der Herzog im Zimmer stand. Mit weiteren Pupillen, erschreckt, hilfesuchend, starrte Magdalen Sibylle auf Süß, gepreßt, hörbar atmend. Aber der Jude sagte verbindlich, er müsse zurück zu seinen Gästen, und auf einmal war sie allein mit dem Herzog, und der Papagei gellte: »Ma vie pour mon souverain«, und im Nebenraum in hellerem, nacktem Licht stand das freche, prunkende Bett. Karl Alexander sagte mit heiserer, unfreier Stimme etwas Scherzendes, Belangloses. Sie sah sein rotes Gesicht, das leicht schwitzte, sie sah seine Augen, die sich verdunkelten und verwilderten, roch seinen trunkenen, erhitzten Dunst. Sieging mit mühsamen Schritten zur Tür, lallte eine Entschuldigung, wollte Süß nach, zurück zu den Gästen. Aber die Tür war verschlossen. Karl Alexander lachte ein belegtes Lachen, schnallte umständlich den kostbaren antikischen Brustpanzer ab, schweigend, daß nur ihr Atem hörbar war. Kam mit grauenhafter Freundlichkeit auf sie zu, nahm ihre Hand in die seine, die seltsam war, der Rücken schmal, lang, knochig, behaart, das Innere fleischig, fett, kurz. Sie wich zurück, er faßte sie fester, dünstend, erhitzt fauchend. Sie bekam ihre Kraft zurück, wehrte sich wild, doch ohne Aussicht, gegen den schweren, starken, erregten Mann. Fetzen ferner Musik kamen herein, sie schrie, erregt und krächzend flatterte der Papagei.
    Draußen der Maskenball entlöste sich immer mehr den Zügeln gemessener Form. Aus allen schattigeren Winkeln Gekreisch, Gegröl, gekitzelte, halbe Schreie. Anerkennend meinte Herr von Riolles zu Herrn von Schütz, selbst am Hofe der polnischen Majestät hebe die Freude die Schwingen nicht höher.
    Süß, aus dem Kabinett zurück, stürzte sich mit einer gewissen grimmigen Erhitztheit in das Gewühl. Er wich der Herzogin aus, die ihn mit einem kleinen, lüsternen und amüsierten Lächeln nach Magdalen Sibylle fragte, und machte den Damen Götz, Mutter wie Tochter, für die sich auch der Herzog interessierte, mit so wütiger Dringlichkeit den Hof, daß der Aktuarius Götz, da er seine drohende Miene nicht beachtet sah, sich in einer Ecke stumm und ratlos besoff, während die beiden Damen die zynischen Galanterien des Juden hingegeben und töricht himmelnd erwiderten. Die kleine napolitanische Komödiantin, gelb, leicht fett und verderbt, hatte sich an den alten Fürsten Thurn und Taxis herangemacht. Sie tat, als wüßte sie nicht, wer er sei, als streiche, kitzle, schmeichle sie nur wegen seines eleganten und distinkten Aussehens und Geweses um ihn herum. Der alte Fürst, als er sah, daß er trotz der gleichfarbigen Domestikenlivree auch in Weinrot wirkte, lebte auf, sein Ärger fiel zusehends von ihmab. Zumal sich auch Remchingen um die Komödiantin bemühte und sie den stark trunkenen General, der mit schon verglasenden Augen an ihr fraß, geschickt neben dem feinen, alten, reichen Fürsten abfallen ließ. Aber aus seiner Ecke starrte der Aktuarius Götz auf die Napolitanerin, hingerissen, mit Augen, von Schwärmerei viel mehr noch als von Trunkenheit verschleiert; und während sie den General fernhielt und den alten Fürsten anzog, fand sie noch Gelegenheit, mit einem einzigen, doch unendlich beredten Blick den jungen, dummen, blonden, frischen Schäfer für immer in ihre Geleise zu zwingen.
    Weißensee, der Konsulent Neuffer und der Würzburger Geheimrat Fichtel waren mit Schütz und Herrn von Riolles beim Pharao gesessen, jetzt trank der Würzburger seinen Kaffee, Weißensee und Neuffer kosteten von dem schweren, schwarzroten Sekt, der im westlichen Deutschland nur bei Süß zu finden war, und man sprach von Politik. Eifrig und mit düsterer Dringlichkeit sog Neuffer, in seinem scharlachenen, zusammengestapelten Kostüm komisch anzusehen und viel bespöttelt, die absolutistischen Theorien ein, die der Jesuit mit feiner und sachter Selbstverständlichkeit entwickelte.
    Weißensee indes war nicht so bei der Sache wie sonst wohl. Er schnupperte mit dem klugen, mageren Kopf rastlos herum, er

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