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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Eitelkeit und Vermessenheit, den Teufel mit ihren armen Händen zu Gott hinüberzuziehen. Seit sie erkannt hat, daß der Jud der Teufel ist, hat sie eine nagende Ratte in der Brust. Wie hat sie zu Gott geschrien. Aber Gott schwieg. Die Bücher der Demut, Erkenntnis, Versenkung sind Papier. Sie starrt in die Luft, siewill in Gott untertauchen; aber die Luft bleibt leer, kein Gesicht erscheint, es trägt sie nicht, alles ist schlaff und kahl und dumm und tot. Im Swedenborg stehen Worte, und sie klingen nicht, und sie packen sie nicht, sie läuft zur Beata Sturmin, der Heiligen, Blinden, aber sie kann ihr nichts mehr sagen, die Heilige ist ein armes, krankes, altjüngferliches Geschöpf, kahle, säuerliche Luft ist um sie her.
    Sie hat den Juden seit damals nicht wieder gesehen. Er hat mehrmals nach ihrem Befinden fragen lassen, ihr Blumen geschickt, auch einmal den Vater besucht, aber sie hat ihn gemieden. Einmal nur hat sie ihn gesehen, auf dem Schloßplatz, reitend auf seiner Schimmelstute Assjadah, sehr glänzend. Fluch, Haß, Neid prallte gegen den schlanken Rücken des Reiters, aber er prallte ab daran, Luzifer schaute nicht um. Sie sah ihm nach, ohnmächtiger als das fluchende Volk. Die hatten wenigstens Worte, ihr schrumpften Herz, Zunge, Schultern unter ihrer Ohnmacht.
    Sie hatte lange geschwankt, ehe sie zu der Assemblee gegangen war. Nun war ihr der Abend eine Enttäuschung und arge Verstörung. Süß kümmerte sich nicht um sie, er hatte kaum ein kaltes Wort glatt höflicher Begrüßung an sie gerichtet. Sie konnte nicht wissen, daß dies kluge Berechnung war, sie sah nur, Luzifer hatte kein Aug für sie. Sie nahm die Larve ab von dem bräunlich kühnen, bewegend verstörten, zuckenden Gesicht: Luzifer hatte kein Aug für sie. Dies schlug sie tiefer als eine Niederlage.
    Aber ein anderer sah jetzt zum zweitenmal das bräunliche, bewegte Antlitz, sah es lange kennerisch, genießerisch, sah es auf und ab, die starkblauen, dringlichen Augen, ihr seltsames Widerspiel zu dem dunklen Haar. Kotz Donner, diese Weißenseein! So was gab es also; so was war eine Schwäbin, eine Untertanin. War eine Schwäbin besonderer Art. Das hätte Karl Alexander nie gedacht, daß dem Weißensee, dem Fuchs, so ein feines Gewächs im Haus heraufblühe. Er war auf das Fest gegangen mit der vagen, ziellosen Gier nach was Neuem. Er hatte Arbeit hinter sich, war ausgeruht, fühltesich frisch. Das war was anderes, Neues. Jetzt hatte die Soiree ein Ziel. Die welsche Komödiantin, von der Süß ihm vorgeschwärmt, machte ihm nur neuen Appetit auf die feste, junge, besondere Schwäbin.
    Bald nach der Oper tafelt man. Das Souper ist weitläufig und voll Pracht. Die Masken werden abgenommen, die erhitzten Gesichter schauen aus den Kostümen fremdartig und vertraut und reizen doppelt. Gewürzte Speisen, starke, fremde Weine, kräftige Trinksprüche. Aus einem Wunderwerk von Pastete springt ein Kinderquartett heraus, Paris und die drei Göttinnen, aber Paris reicht keiner von ihnen, er reicht der Herzogin den Apfel. Der Geheimrat Fichtel, dick und kugelig in seinem türkischen Kostüm, bringt einen Toast aus, in ganz pfiffigen Alexandrinern, voll von feinen, boshaften Spitzen gegen die Landschaft, und die katholischen Offiziere huldigen lärmend dem Herzog.
    Gnomen tanzen herein, plündern die Schmuckvitrinen, überreichen possierlich den Frauen die glitzernden Geschenke, die Süß ihnen bestimmt hat. Dom Bartelemi schaute scharf zu, wie sie Stein um Stein, Kettlein um Kettlein, Spänglein um Spänglein verteilten. Der ungeheuer lange Mensch, die rechte Schulter kurios hochgezogen, das blaurote, entfleischte Gesicht auf dürrem Hals aus der zeremoniösen Krause der altertümlichen Portugiesertracht reckend, schickte hinter faltigem Lid die länglichen, starren, schmalen Augen auf unablässige Wanderschaft. Tief in den Höhlen lagen sie, lauerten sie aus dem zerdrückten Totenkopf. Der kurpfälzische Geheimrat, auch Tabakmanufaktur- und Kommerzien-Generaldirektor, ließ sich von den Damen die einzelnen Geschenke weisen, wertete sie sachkundig. Mit tiefem Unbehagen hörte Süß die hohle, kalte, langsame Stimme, die seine Offerten so oft unterboten, ihm so manchen Handel gehindert, ihn so lange klein und unscheinbar gemacht hatte. Angewidert sah er und kalt überschauert die ausgeglühte Leidenschaft, mit der Dom Bartelemi die flirrenden Steine durch seine langen, dürren, blauroten Hände rieseln ließ. Sie schauten sich an, sie beschieltensich,

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