Judasbrut
ihm seine
gepackten Koffer vor die Tür zu stellen und höchstpersönlich den Ehemann der
anderen zu informieren. Schon bevor sie ihn in flagranti erwischt hatte, war
ihre Beziehung nicht mehr dieselbe gewesen. ›Es stand nicht zum Besten‹ war ein
treffender Ausdruck für viele unausgesprochene Dinge, die sich im Laufe der
Ehejahre abgespielt und ihre Beziehung verändert hatten. Dass Maria nicht eine
Sekunde darüber nachgedacht hatte, um Andreas und den Fortbestand ihrer Ehe zu kämpfen,
zeigte deutlich genug, wie stark sie sich voneinander entfernt hatten.
Eichmüller
war Marias Schweigen nicht entgangen. Er legte den Kopf schief, und als Maria
ein Seufzer entfuhr, umspielte ein ahnendes Lächeln seine Lippen.
»Gut«,
murmelte Maria zusammenhanglos. Dann riss sie sich zusammen. »Ist Ihnen
bekannt, ob Ihre Frau ebenfalls eine Affäre hat – oder
in der Vergangenheit eine hatte?«
Eichmüller
kniff die Augen zusammen, als sei dieser Gedanke vollkommen neu für ihn.
Langsam schüttelte er den Kopf. »Ich denke nicht. Nein.«
»Sind
Sie sicher?«
Jetzt
klang er überzeugter. »Ich bin sicher.«
Maria
notierte sich jedoch, dem nachzugehen und wandte sich nun an Bianca. »Frau
Esser, wir waren gerade dabei, den Ablauf zu rekonstruieren. Wissen Sie, wann Frau
Eichmüller nach Hause gekommen ist?«
Nachdenklich
pustete Bianca die Luft durch die Lippen. »Gegen halb acht schätze ich. So um
drei viertel acht bin ich nämlich ins Auto.«
»Wann?«,
wollte Michelle irritiert wissen.
Maria
drehte sich zu ihr herum. Michelle saß mit Stift und Block bewaffnet auf dem
Stuhl. Maria unterdrückte ein Schmunzeln über den Eifer. »Viertel vor acht«,
half sie Michelle auf die Sprünge.
»Kann
auch ein paar Minuten später gewesen sein. Jedenfalls war ich gegen viertel
neun zu Hause. Da habe ich auf die Uhr gesehen. Und ich brauche ungefähr
zwanzig Minuten von Niederndorf bis zu mir.«
»Viertel
nach acht«, soufflierte Maria in Richtung Michelle, während sie einen Blick auf
ihre Unterlagen warf. »Sie wohnen in Spardorf, ist das richtig?«
»Ja.
Genau. Hohe Warte. Ich bin letztes Jahr von München hierher gezogen und war
froh, überhaupt erst mal was zu finden.«
»Gut,
also, Herr Dr. Eichmüller, Ihre Frau kam gestern Morgen – sagen
wir zwischen viertel und halb acht nach Hause. Was geschah anschließend?«
»Ich
bin aufgestanden, weil ich ins Bad musste«, antwortete Bianca. »Als ich die
Schlafzimmertür öffnete, stand Leonhards Frau im Flur. Sie kennt mich ja und
hat natürlich sofort kapiert, was los ist. Sie ist ziemlich explodiert.«
Unsicher sah sie Eichmüller an, der die ganze Zeit ihre Hand streichelte, ihren
Blick jedoch nicht erwiderte. Einige Sekunden sagte niemand etwas. Nur die
Geräusche des Krankenhauses bildeten eine gleichmäßige Hintergrundkulisse.
»Ist
sie handgreiflich geworden?«, erkundigte sich Maria bei niemand bestimmten. Die
Spurensicherung hatte Hinweise auf eine Auseinandersetzung gefunden.
Biancas
Blick huschte umher. Eichmüller antwortete: »Nun, Sara war sehr aufgebracht.«
»Also
ist sie?«, bohrte Maria nach.
Es
dauerte einige Sekunden, bis Eichmüller antwortete. »Nicht gegenüber Bianca.
Sara gab ihr nicht die Schuld. Es ging um mich.«
Bianca
schien etwas sagen zu wollen, doch Eichmüllers Blick ließ sie verstummen, noch
bevor sie ein Wort herausbrachte. Maria registrierte es und beschloss, Bianca
später einzeln zu befragen.
Eichmüller,
der Marias Einwurf übergangen hatte, schilderte nun sachlich das Geschehen.
Sara hatte ihren Mann angeschrien, dabei hatte sie Dinge umhergeworfen,
Leonhard geschubst und versucht, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Er habe ihr
die Hände festgehalten, woraufhin sie sich zuerst gewehrt, aber dann von
weiteren Tätlichkeiten abgesehen habe. Stattdessen hatte sie alle Dinge, die
sie von Bianca finden konnte, durch das Fenster geworfen. Das Ganze habe sich in
der oberen Etage abgespielt.
»Leonhard
hat gemeint, ich soll lieber gehen und er ruft mich später an – da ist
Sara noch mehr ausgeflippt und hat von Leonhard verlangt, dass er mir fristlos
kündigt und mich nie wieder sieht.« Schuldbewusst bewegte Bianca die Schultern.
»Irgendwie konnte ich sie ja verstehen.«
Maria
bedachte die junge Frau mit einem Lächeln, das hoffentlich einigermaßen
nachsichtig wirkte. »Nachdem Sie, Frau Esser, fort waren, was passierte dann?«
»Sara
und ich stritten weiter«, setzte Eichmüller nun seinen Bericht fort.
Unwillkürlich rieb
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