Judasbrut
mit dem SEK reingehen – ich
gehe jede Wette ein, dass wir die beiden dort finden.«
»Vielleicht
hättest du gleich heute früh was andeuten sollen, als Herr Zirngiebl hier war
und sich nach Neuigkeiten erkundigt hat«, meinte Michelle. »Ist schon blöd
irgendwie, wenn du erst jetzt damit ankommst.«
Maria
seufzte. »Hör auf mein Gewissen zu spielen. Jens war vorhin auf dem Weg zum
Dienstsport ins Schwimmbad und am Telefon bespreche ich das nicht mit ihm. Er
klang kaum besser als gestern.«
»War
bestimmt nicht leicht für ihn, seine Frau heute morgen in der Schule krankzumelden
und jetzt zu tun, als sei alles normal.«
»Ich
hoffe, er steckt die Neuigkeiten gut weg. Also, ich geh dann mal.«
Als sie
aufstand, um den Raum zu verlassen, meldete sich ihr Handy. Sie warf einen
Blick auf die Nummer, bevor sie im Rausgehen das Gespräch annahm. »Franzi? Was
ist los?«
»Hi
Mama. Ja, mir geht’s gut!«
»Wie
schön«, bemerkte Maria trocken, während sie zum Treppenhaus eilte. »Und warum
rufst du an? Hast du nicht noch Schule?«
Franzi
holte tief Luft. Recht ungewöhnlich für sie, die eigentlich immer gleich eine
Antwort parat hatte. »Tja, eigentlich schon, aber … ich
bin früher … ach egal, ich soll dir was ausrichten. Der Mann hat mir gesagt,
du sollst auf gar keinen Fall irgendwem etwas von dem erzählen, was ich dir
jetzt sage.«
Es war eine
eiskalte Hand, die nach Marias Herz griff. Stocksteif blieb sie mitten auf der
Treppe stehen. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um ruhig zu bleiben.
»Welcher
Mann?«, fragte sie so neutral, wie es ihr gerade möglich war, und setzte ihren
Weg nach unten fort, um nicht aufzufallen.
»Keine
Ahnung. Er hat gesagt, du wüsstest, wie er heißt.«
Klang
Franzi ängstlich? Wurde sie bedroht? Maria glaubte ihre Tochter zu kennen, doch
gerade konnte sie nicht mal ahnen, was diese empfand. Kurz schloss sie die
Augen. Wen meinte sie? Perez Leibl? Woher wusste er von Franzi? Hatte er sie in
seiner Gewalt?
»Mama?«
»Ja,
mein Schatz. Ich bin hier.« Sie schluckte. »Was … sagt
er sonst noch?« Fieberhaft überlegte sie, was sie tun sollte. Ihr fiel nichts
ein.
»Wo
bist du jetzt, Mama?«
»Wo … also … « Maria
räusperte sich. Franzi klang nicht verängstigt, aber eindeutig aufgeregt. »Ich
bin auf der Dienststelle.«
Eine
Pause folgte, in der Maria nichts hörte – nicht
mal Hintergrundgeräusche.
»Du
sollst rausgehen und dann Richtung … «
Franzi unterbrach sich und brauchte ein paar Sekunden, bis sie weiterredete.
»Einfach die Straße entlang.«
Ohne zu
überlegen lief Maria an der Pforte vorbei und trat durch den Haupteingang auf
die Straße hinaus.
»Bist
du noch dran?«, fragte sie, weil Franzi nichts mehr sagte. »Ich bin jetzt
draußen.«
»Ja,
ich bin noch da. Mama, du musst dir um mich keine Sorgen machen. Ehrlich. Geh
einfach die Straße entlang. Ich soll jetzt auflegen. Bis später.« Dann war die
Leitung tot.
Maria
hob eine Hand an den Mund und unterdrückte ein Schluchzen. Franzi klang genauso
wie sie selbst, wenn sie ihre Tochter oder ihre Eltern nicht beunruhigen
wollte. Sie steckte das Handy in ihre Hosentasche.
Während
sie die Schornbaumstraße entlang ging, sah sie sich immer wieder um. Einzelne
Autos fuhren in beide Richtungen die Straße entlang. Ein älterer Mann kam ihr
auf dem Gehweg entgegen und sie überholte eine junge Mutter, die ihr Kind auf
einem Dreirad vor sich herschob. Die am Straßenrand geparkten Autos waren alle
leer. Kurz bevor sie die Koldestraße erreichte, blieb sie stehen. Sie sollte
umkehren. Es war kopflos gewesen, einfach hinauszugehen, ohne jemandem Bescheid
zu geben. Wenn es um Franzi ging, durfte sie sich keinen Fehler erlauben – oder
brachte sie ihre Tochter erst recht in Gefahr, wenn sie zurückging? Über die
Schulter sah sie in Richtung Dienststelle. Bevor sie sich zu etwas durchringen
konnte, hielt ein schwarzer Golf neben ihr in zweiter Reihe. Der Fahrer trug
eine Baseballkappe und eine Brille mit getönten Gläsern. Er sah sie an und
nickte. Maria zögerte. Sie hatte keine Wahl! Mit zitternden Knien stieg sie ein
und er fuhr los.
»Handy
aus!«, wies er sie knapp an.
Nach
über fünfzehn Dienstjahren geschah es selten, dass Maria nicht wusste, was sie
tun sollte. Doch diesmal fühlte sie sich unfähig zu allem. Also folgte sie
mechanisch der Anweisung. Es dauerte, bis sie das Gefühl hatte, wieder halbwegs
normal zu funktionieren.
Inzwischen
waren sie auf der A 73 und
fuhren in
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