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Judasbrut

Judasbrut

Titel: Judasbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Fink
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sprang sie hinter einen üppig
blühenden Weißdorn, wobei sie an einem der ausladenden Zweige mit ihrer Hand
hängen blieb.
    »Au!«
Vorsichtig befreite sie sich von den Dornen und saugte am Handrücken, den ein
leicht blutender Kratzer zierte.
    Vorsichtig
lugte sie durch die Zweige. Jemand war in der Wohnung von Professor Leibl und
hatte ein Fenster gekippt. Während sie mit klopfendem Herzen das Haus
beobachtete, fühlte sie das beruhigende Gewicht der Waffe unter ihrer Jacke.
Die ganze Zeit hatte sie nicht daran gedacht, doch mit einem Mal war sie froh.
Perez Leibl hatte nicht nur den Grundwehrdienst geleistet, sondern er hatte
auch bei einem Sicherheitsdienst gejobbt. Er wusste wahrscheinlich, wie man mit
einer Waffe umgeht. Holzapfel hatte recht gehabt: Sie hätte nicht allein
hierher kommen sollen. Gerade wollte sie den ersten Schritt machen, um – diesmal an der anderen Hausseite entlang – wieder
nach vorn zur Straße zu gelangen, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung
wahrnahm. Reflexartig zog sie die Waffe – und
sackte erleichtert ein Stück in sich zusammen. Es war nur ein Vogel, der auf
der Wiese entlanghüpfte.
    Noch
einmal sah sie sich in alle Richtungen um, diesmal mit der Pistole in der Hand.
Dann huschte sie so schnell und geräuschlos wie möglich zurück zu ihrem Auto.
    Die
ganze Zeit ließen sie zwei Gedanken nicht los: Hatte Perez Leibl seiner
Schwester geholfen? Und was hatte Nina damit zu tun?
     
     
    In der Wohnung von
Professor Leibl
     
    »Sie ist weg.« Perez Leibl kam
zurück in das Wohnzimmer und ließ sich in den Sessel fallen, auf dem kurz zuvor
der Professor gesessen hatte. »Gut, dass du sie rechtzeitig gesehen hast, als
du das Fenster geöffnet hast.«
    Nina
lächelte unsicher unter seinem wohlwollenden Blick. Sie hatte sich noch nicht
daran gewöhnt, dass er ihr gestattet hatte, das Dachzimmer mit ihm zusammen zu
verlassen. Gestern hatte er ein langes Gespräch mit ihr geführt und ihr
anschließend das Versprechen abgenommen, sich weiterhin ruhig zu verhalten.
Bereitwillig hatte sie sich daran gehalten – und
noch mehr. Gerade hatte sie geholfen, unentdeckt zu bleiben.
    Jetzt saß
sie an derselben Stelle wie Maria vorhin, neben sich eine Frau, deren
Ähnlichkeit mit Perez kaum zu übersehen war. Allerdings hatte sie lange, braune
Haare mit einem rötlichen Schimmer. Sie war klein und zart, doch jede ihrer
Bewegungen wirkte energisch. Sie sprang auf, lief von Fenster zu Fenster, als
wolle sie die Aussage ihres Bruders überprüfen.
    Mit
einem rauchigen Tonfall spie sie ein paar Worte aus. » Kuss emek !«
    Perez
rieb sich den Nacken. »Lass das bloß nicht Abba hören! Der wäscht dir den Mund
mit Seife.«
    »Siehst
du ihn irgendwo?« Sara bemerkte Ninas fragenden Blick. »Er mag keine
›Ausdrücke‹ – das hat er uns, als wir klein waren, sehr … sehr
deutlich gemacht. Ich könnte mir in den Hintern beißen, weil ich in Windsbach
nicht vorsichtiger war.«
    »Korrigier
mich, aber ich glaube, irgendjemand hat dir geraten, gar nicht erst
hinzufahren. Vor allem nicht allein«, erwiderte Perez mit nicht zu überhörender
Ironie. »Dein Sohn schafft es ohne dich, gesund zu werden. Es ist ein ganz
normaler Infekt.«
    »Es hätte
Tularämie sein können«, fuhr Sara auf.
    Perez
machte eine beruhigende Geste. »Krieg dich wieder ein, Sara! Windsbach ist
mindestens 50 Kilometer von Neustadt entfernt.«
    »Die
Landkreise grenzen aneinander und ›hochpathogen‹ ist für dich wohl kein Fremdwort,
Perez! Du weißt, was Meir gesagt hat. Es ist wahrscheinlich ein mutierter
Erreger. Es gibt inzwischen viel zu viele Verdachtsfälle. Hoffentlich hält er
den Mund!« Wie ein Tiger im Käfig lief sie durch den Raum. » Chara ! Alles
läuft aus dem Ruder und jetzt ist diese Kommissarin mit einer fadenscheinigen
Ausrede aufgetaucht – das hätte sie auch am Telefon mit Abba besprechen können. Sie
wollte etwas anderes – warum sonst läuft sie heimlich auf dem Grundstück herum? Wir
sollten lieber von hier verschwinden.«
    Perez
schüttelte den Kopf und stand auf. »Wo sollen wir denn hin? Das Wochenendhaus
ist zu weit weg. Wir können jetzt nicht einfach aufgeben.«
    Sara,
die sich vor ihn gestellt hatte, tippte ihn mit spitzem Zeigefinger auf die
Brust. »Diese Kommissarin kommt wieder. Du kannst sie nicht davon abhalten!«
    Perez
fixierte seine Schwester kühl. »Und warum sollte ich das nicht können?«
    Sara
gab einen abfälligen Laut von sich. »Offiziell bist du immer noch in Tel

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