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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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auf den Boden undhielt ihre Leiche umfangen, als wären sie Liebende. In Wahrheit machte ihn das Blut einer Jungfrau von bestem Alter besoffen vor Glück. Es war überwältigend.
    Dominic streichelte ihr Gesicht und schloss ihr sachte die Augen. Dann gab er ihr einen langen, zärtlichen Kuss auf die Lippen. »Charlene, ich danke dir für dieses wunderbare Mahl«, sagte er feierlich zu ihr.
    Die Aufständischen hatten zu ihnen aufgeschlossen. Sie umgaben das Paar und schauten fragend auf sie hinab.
    »Es ist de Launays Tochter. Sie starb in meinen Armen«, sprach er mit gespielt bebender Stimme. Er legte Schmerz und Wut hinein. »Seht, was ihr Vater diesem holden Wesen angetan hat: Er hielt sie gefangen und folterte sie schlimmer als die ganzen Verbrecher!« Die Menschen um ihn herum tuschelten, die ersten empörten Rufe kamen auf. Dominic zeigte auf den Gang. »Lasst dieses Ungeheuer nicht lebend entkommen! Tod dem Königsdiener!«
    Sie machten auf der Stelle kehrt und rannten los.
    Dominic legte den Kopf gegen die feuchte Wand, schloss die Lider. Er schwelgte noch, hatte ihren Geschmack im Mund, den er lange Zeit nicht vergessen würde. Nicht vergessen konnte.
    Ach, es ist zu lange her gewesen, dass ich solches Blut trinken durfte.
    Er würde versuchen, so lange wie möglich nichts mehr zu sich zu nehmen, um sich die Erinnerung an sie zu bewahren. Das war er der Virgo schuldig, deren Leben und deren Kraft er sich genommen hatte.
    Beseelt
, dachte er.
»Beseelt« ist der richtige Ausdruck für meinen Zustand. Keine Droge vermag dergleichen auszulösen.
    »Du hast sie umgebracht?«
    Dominic öffnete die Augen. Vor ihm stand ein älterer Herr an die Wand gelehnt, die einst vornehme Kleidung war stark in Mitleidenschaft gezogen. Die grauen Haare hatte er zu einem Zopf gebunden.
    »Ich mochte sie sehr. Sie war mir eine gute Schülerin«, redete er weiter. »Sie liebte es, ausgepeitscht zu werden. Ganz leicht nur, aber sie wollte Schmerzen spüren, während sie meine Finger in sich hatte.« Er zeigte auf die Narben. »Ja, meine kleine Charlene liebte den süßen Schmerz. Sie hat sich die Schnitte selbst beigebracht, obgleich ich sie vor den Narben warnte.«
    Dominic legte die Tote behutsam neben sich und erhob sich. »Euren Namen habe ich nicht verstanden?« Die Art, wie der Mann gesprochen hatte, ließ ihn an einen Adligen glauben. Womöglich ein Insasse und keiner vom Mob.
    Der Mann vollführte eine höfisch perfekte Verbeugung. »Man nennt mich den Marquis de Sade.« Er klopfte gegen die Mauer. »Meine Familie zog es vor, mich in dieser Herberge unterbringen zu lassen, nachdem zu verruchte Dinge bekannt wurden. Aber was ist schon verrucht?«
    Den Namen hatte Dominic bereits gehört. Es ging um den Beischlaf, um Dinge dabei, wie sie vorher noch keiner betrieben hatte, und um Schmerzen, welche die Lust erhöhen sollten. »Ihr habt keine Angst vor mir, Marquis?«
    Er lachte. »Nein. Ich weiß,
was
Ihr seid, Monsieur. Ich machte bereits die Bekanntschaft mit einigen von Eurem Wesen. Und manche von ihnen teilten die Vorliebe für Schmerz.« Bedauernd sah er auf Charlene. »Das gute Kind. Da liegt es. Ausgeblutet.« Sein Blick richtete sich auf Dominic. »Es mundete Euch?«
    Dominic war zu erstaunt, um dem Marquis zu antworten. Der Mann beeindruckte ihn durch seine Präsenz und seine abgeklärte Weise.
    »Ich habe es auch einmal gekostet. Blut. Aber es verschaffte mir keine Lust. Doch wenn Charlene vor Lustschmerz aufkeuchte und mir die Hand mit ihrem Saft volltropfte, ja,
das
gab mir etwas.« De Sade deutete auf den Gang. »Die Bastille brennt, Monsieur. Was machen wir mit der Mademoiselle? Sie hätte schon ein Begräbnis verdient.«
    »Das erledige ich, Marquis«, sagte Dominic endlich, dessen Gedanken sich überschlugen. Ein Mann, der von Vampyren wusste und im Angesicht des leibhaftigen Todes ruhig und geradezu überlegen blieb!
    Er ist ein Geisteskranker. Das stimmt mit Sicherheit.
    Er fand de Sade so faszinierend, dass er beschloss, ihn lebend davonkommen zu lassen. Er musterte ihn. »Was wird aus Euch, Marquis?«
    »Ich?« Er verbeugte sich. »Ich kenne ein paar Damen, bei denen ich unterschlüpfen kann. Sowohl im Haus als auch im Bett.« Der Marquis ging mehrere Schritte rückwärts. »Ich hoffe, Ihr lasst mich gehen?«
    »Ja. Erzählt niemandem, was Ihr gesehen habt. Ich finde Euch, wenn Ihr es dennoch tut.«
    »Wie könnte ich? Man würde es nicht glauben und mir in die Schuhe schieben. Einen Mord möchte ich nicht

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