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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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in Paris will. Es werden Rechnungen zu begleichen sein, nehme ich an. Alte Rivalitäten unter Adligen.«Sandrine stand auf und balancierte den Steinhaufen hinab, zog Anjanka mit sich. »Ich will trotzdem nicht hierbleiben. Ich traue seinen Bestien nicht.«
    »Aber wir nehmen etwas mit, oder? Ich möchte nicht schon wieder mittellos neu beginnen.« Sie hakte sich unter. »Weißt du, wohin wir sollen?«
    »Nein. Die … Niederlande vielleicht?«
    Anjanka lachte laut auf. »Du bist lustig! Ein Land voller Kanäle und Grachten mit fließendem Wasser. Du weißt, dass du dort nicht schnell vorankommst. Lass mich dieses Mal die Führerin sein.« Sie klang, als wüsste sie, dass ihr Ziel ein Ort voller Schönheit, Friede und Geborgenheit sei.
    »Wir gehen wohin?«
    »In den Osten. Die Alte, die mich zur Vampirin machte, sagte, dass dort ihre Heimat sei und es viele von uns gäbe.«
    »Viele von dir, von den
Tenjac
«, verbesserte Sandrine. Sie hatten noch immer nicht ergründet, welcher Spezies Blutsauger sie selbst angehörte.
    Das Wichtigste ist, dass wir zusammen sind.
    Sie streichelte Anjankas Rücken. »Führe uns dahin, wo das Übel uns nicht nachfolgen kann. Wir haben es uns verdient.«
    Sie liefen, so schnell es ihnen das vernebelte Paris erlaubte, durch die dunklen Straßen, wo ihnen kaum jemand begegnete. Sie erreichten das heruntergekommene Haus, in dem sie sich eingenistet hatten, suchten in aller Eile Kleider sowie einige Habseligkeiten zusammen und brachen zu Fuß auf.
    Sandrine und Anjanka marschierten schweigend und Hand in Hand nebeneinander her, während der Nebel sich auf den Boden senkte, als wolle er vor der Morgenröte weichen, die sich im Osten abzeichnete. Gelegentlich tauschten sie Blicke, die mit Freude, Erleichterung und tiefster Zuneigung erfüllt waren.
    Dieses Mal wird uns nichts mehr trennen können.
    Sie gingen ihrem Feind, der Sonne, entgegen, bis das Taggestirnsie zur Rast zwang. Im Keller eines abgefackelten Zollhauses suchten sie Schutz und lagen umschlungen auf ein paar alten, stinkenden Getreidesäcken.
    Ich schwöre, dass ich dich auf feiner Seide betten werde. Du sollst es mehr als gut haben. Das schulde ich dir.
    Sandrine streichelte Anjankas schwarzes Haar. »Alles wird besser als früher«, wisperte sie und summte eine Weise, die ihr einfach in den Sinn kam. Sie wusste nicht, woher sie die Melodie kannte, aber es beruhigte die beiden.
    Zuerst schlief Anjanka ein. Bald darauf fielen Sandrine die Lider zu.
     
    ***

KAPITEL III
     
Februar 1790,
Kurfürstentum Bayern, Hohenlinden
    Wie es Dominic hierher geschafft hatte, wusste er nicht. Auch nicht, was er in diesem kleinen Ort wollte, in dem man kein Französisch sprach und das Deutsch so schrecklich klang, dass er hundertmal nachfragen musste, bis er es verstanden hatte. Es schien ihm, als habe er während seiner Flucht aus Paris zwischendurch immer wieder geschlafen. Nach dem letzten Schlummer war er mitten in Hohenlinden erwacht. Einfach so.
    Er saß im Gasthaus, hatte einen Humpen Wein vor sich stehen und starrte über die Kerzenflammen hinweg ins Nirgendwo. Am hintersten Tisch ließ man ihn in Ruhe. Man kannte ihn mittlerweile als Sonderling und hielt ihn für einen französischen Emigranten. Was er streng genommen auch war.
    Das Dörfchen unterschied sich kaum von denen, die es in Frankreich zu Tausenden gab: ein paar Häuschen mit Fachwerk, die sich um die bestimmt dreihundert Jahre alte Kirche versammelt hatten, als könne das Kreuz den Gebäuden und den Menschen darin besonderen Schutz gewähren. Kein Ort, an dem Dominic bleiben wollte.
    Doch eine Sache machte Hohenlinden besonders: Die Postkutschen donnerten beinahe zu jeder Stunde die Straße entlang. Jedenfalls, soweit er es beurteilen konnte.
    Wohin soll ich?
    Dominic sah aus dem Fenster mit den dicken Scheiben aus Butzenglas. Er konnte den Schnee nur erahnen, aber er warda, und er lag wesentlich höher als in Paris. Außer ihm hatte eine Reisegruppe Unterschlupf gesucht, während die Pferde ihrer Kutsche gewechselt wurden. Sieben Einheimische hockten in der Nähe des Kamins beim Kartenspiel zusammen. Grobe Männer in einfacher Kleidung, die sich in einem Dialekt unterhielten, den Dominic nicht verstand, sobald sie schnell sprachen. Der Qualmgeruch des Ofens und der Pfeifenrauch der Spieler erschlugen alle anderen Gerüche.
    Wochen waren seit seiner Flucht vor den Loup-Garous vergangen, und er reiste von einer Stadt zu anderen. Ohne Ziel, ohne Vorstellungen von der

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