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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Zukunft. Er hatte wahllos Blut von Menschen getrunken, die ihm begegnet waren, und sie danach alle umgebracht. Stellvertretend. Aus Wut auf sich und die Werwölfe.
    Was tue ich nun?
    Er hatte sich selbst unentwegt beschimpft, ein Feigling gewesen zu sein. Weder die Frauen, mit denen er geschlafen hatte, noch die Männer, deren Hauptmann er gewesen war, hatte er retten können.
    Dabei hätte ich es vermocht. Wenn ich keine Angst bekommen hätte. Aber die Augen der Bestie …
    Dominic zog den Silberdolch, den er von einem Mitreisenden gestohlen hatte, und spielte damit. Der Kerzenschein spiegelte sich auf der polierten Klinge, gelegentlich sah er sein eigenes Gesicht verzerrt darauf.
    Habe ich diesen Loup-Garous etwas getan? Ich wüsste es doch, wenn ich einer dieser Bestien gegenübergestanden hätte. Oder hassen sie einfach nur Vampyre? Habe ich in ihrem Revier gewildert?
    Dominic dachte die ganze Zeit über die Attacke nach, konnte sich aber keine Antwort darauf geben. Spekulationen und Mutmaßungen, mehr gaben seine Gedanken nicht her.
    Dass Werwölfe existierten, erstaunte ihn nicht, wohl aber ihrVerhalten. Sie waren klüger, als er angenommen hatte, und nicht bloße Fressmaschinen.
    Dominic schauderte, als er ein weiteres Mal an diese Augen denken musste. Er war davon überzeugt, dass ihn das düstere Rot im Augenblick seines Todes anblicken würde.
    Wie weit muss ich wohl reisen, um ihnen …
    Von weit draußen erklang ein leises, langgezogenes Heulen, auf das die Dorfhunde mit zornigem Bellen antworteten.
    Sie folgen mir. Ich wusste es! Mon dieu, sie folgen mir!
Er packte den Dolch, als müsste er sich auf der Stelle wehren.
    »Dreckswölfe«, rief der Wirt durch den verqualmten Schankraum. »Es wird Zeit, dass der Winter endet, sonst kommen sie aus den Wäldern bis in die Ställe, um sich unser Viech zu holen.«
    »Wir könnten den Jagdaufseher nochmals bitten, die Graupelze zu hetzen«, sagte einer der Einheimischen und schmauchte mit leisen Schmatzgeräuschen an seiner Pfeife.
    Das wäre ein guter Einfall!
    »Der Huber?«, meinte ein Zweiter auflachend, warf eine Karte auf den Stapel und strich ihn ein. »Geh! Der findet nicht mal einen Wolf, wenn er ihm in den Arsch beißt!« Die Tischrunde brach in dröhnendes Gelächter aus.
    Die Reisegruppe redete leise, während der Wirt an ihrem Tisch stehen blieb und Wein nachschenkte; ein dichter grauer Bart zierte sein Gesicht, die Schürze war fleckig.
    »Bedeutende Persönlichkeiten sind hier gewesen. Der Reichsgraf von Falkenstein übernachtete in diesem Haus«, erzählte er und bemühte sich, seinen Dialekt zu minimieren, »anno 1777. Aber es hat sich herausgestellt, dass es Seine Majestät Kaiser Joseph der Zweite von Österreich war. Unter einem Decknamen!« Die Gesellschaft zeigte sich beeindruckt. »Vor acht Jahren fuhr Seine Heiligkeit Papst Pius der Sechste durch unser schönes Dorf.« Er reckte sich. »Mir hat er gewunken, Seine Heiligkeit, und mich gesegnet.«
    »Ja, mei. Da steht er, der heilige Franz. Geh halt in deinen Keller und wandel den Essig, den du ausschenkst, in reinen Wein«, frotzelte einer der Einheimischen und löste einen neuen Gelächtersturm aus, den der Wirt geflissentlich überhörte.
    »Und vor gerade einmal drei Jahren«, erzählte er stoisch zu Ende, »kam der junge Herr Beethoven in meine gute Schankstube und verlangte Wein und eine kräftige Stärkung.«
    »Geh! Deine Alte hat so viel getratscht, dass er davon taub werden wird«, kommentierte ein anderer Kartenspieler grinsend. »Ich sag’s euch, liebe Leut’. Taub wie eine Nuss wird der arme Kerl werden.«
    »Halt dein Schandmaul, Alois!«, wetterte Franz und verzog sich an den Tresen, wo er beleidigt neue Gläser mit Wein füllte.
    Dominic hatte dem Gespräch konzentriert zugehört, um die eigentümliche Sprache zu lernen.
    Es ist besser, wenn ich diese Schrate verstehe.
    Denn er hatte vor, sie zu der Wolfshatz zu bewegen, die sie viel zu schnell verworfen hatten. Die Dörfler sollten ihm nach Möglichkeit den Rücken freihalten, bis er sich weit genug wegbewegt hatte. Die Verluste, die sie dabei erleiden würden, kümmerten ihn nicht.
    »In Frankreich«, sagte er auf holprigem Deutsch, »kommen sogar Werwölfe bei solchem Wetter aus ihren Löchern. Ihr solltet gut auf eure Tiere und Lieben achten.«
    Kaum waren die letzten seiner Worte verklungen, wurde es still. Der Wirt hatte sogar aufgehört, Wein auszuschenken. Die Einheimischen bekreuzigten sich, bevor sie nach den

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