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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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die Umrisse einer Frau, nicht weit weg von ihr, die auf einer Erhöhung saß.
    Da … ist sie!
    Hastig näherte sich Sandrine ihr.
    Ich habe sie bestimmt gerochen. Unbewusst. Ihr Duft hat mich zu ihr geleitet!
    Anjanka hatte auf einem kleinen Steinhügel, der aus den ersten herausgebrochenen Quadern der Festung aufgetürmt worden war, Platz genommen und schaute hinab in den Wassergraben; andeutungsweise erkannte man die dunkle Oberfläche durch den Dunst. Sie schnippte kleine Bruchstücke von der Handfläche, die nach kurzem Flug im Nebel unsichtbar wurden und mit einem leisen Geräusch im Wasser eintauchten.
    »Geliebte!«, rief Sandrine erlöst und eilte auf sie zu.
    Anjanka wandte sich zu ihr um und lächelte. »Mein Herz. Du hast mich endlich gefunden.« Sie rührte sich nicht und schaute wieder in den Nebel, hob das nächste Steinchen auf. »Ich habe lange überlegt, ob ich zulasse, dass du mich findest. Die Frage, die ich mir stelle, lautet: Wie geht es weiter?«
    Sie ist enttäuscht von mir.
    Sandrine musste nicht einmal besonders empfindsam sein,um das zu spüren. Anjankas Gesicht war verschlossen, die hellgrünen Augen würdigten sie keines Blicks. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
    »Warte! Ich möchte gar nicht hören, dass es dir leidtut«, erstickte Anjanka ihren Versuch, sich zu versöhnen. »Ich
weiß
, dass es dir leidtut. Aber das ist mir nicht wichtig. Es soll nicht mehr vorkommen.« Sie redete wie mit einem ungezogenen Kind: betont, ruhig, aber gleichzeitig schwang die Konsequenz mit, was beim nächsten Fehlverhalten geschehen würde. Sie hatte sich einmal noch finden lassen. »Ich möchte nicht mehr Opfer deiner krankhaften Eifersucht sein. Du weißt, dass ich nur dich liebe. Alles, was ich mit anderen Männern und Frauen tue, dient dazu, uns mit deren Blut zu versorgen. Es bedeutet mir nichts.«
    Sandrine schluckte, ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie erklomm die niedrige Halde und setzte sich neben ihre Geliebte. In ihr tobte es, Worte flogen wild durcheinander.
    Was kann ich sagen, um sie zu halten?
    Anjanka drehte langsam den Kopf und sah ihr in die Augen. »Du hast die Hand erhoben. Gegen mich!«
    »Ich habe dich nicht geschlagen«, erwiderte sie lahm.
    »Du hättest es aber getan. Ein bisschen mehr Wut, und du würdest mich schlagen.« Sie schüttelte den Kopf. Anjankas Enttäuschung schmerzte Sandrine schlimmer als jede Wunde, die sie empfangen hatte. »Ich vergebe dir. Einmal werde ich vergessen, was du beinahe getan hättest. Ein zweites Mal kann ich es nicht vergessen.« Sie warf noch ein Steinchen.
    »Du wirst mich verlassen, wenn …«
    »Nein.« Anjankas Stimme zitterte. »Ich kann und will ohne dich nicht mehr leben, aber ich ertrage nicht alles, was du mir antun würdest. Schlägst du mich, bringe ich mich um. Das muss dir klar sein.« Sie sah Sandrine an und drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. »Verstehst du das, mein Herz? Für mich gibt es keine andere Lösung.«
    Sandrine starrte sie an und war steif vor Schreck und Unglaube.
    Sie würde es wirklich tun!
    »Ich …« Die Drohung erschien ihr derart grausam, dass es ihr die Sprache verschlug. Ihre Geliebte verstand sich auf Erpressung, auf die übelste Art von Erpressung, die in ein fürchterliches Ende münden würde. Das hatte Sandrine ihr nicht zugetraut. Sie fühlte sich gleichzeitig schuldig und unglaublich traurig.
    Das geschieht nur, weil ich mich nicht zügeln kann. Ich bringe unser Glück viel zu oft in Gefahr. Ich bin diejenige, die Strafe verdient. Ihren Tod zu verantworten, das könnte ich nicht ertragen!
    Anjanka schien ihre Gedanken lesen zu können. Sie legte einen Arm um sie und rückte an sie heran. »Mehr muss nicht gesagt werden. Wir haben uns wieder.« Dem Tonfall nach hatte sie ihr verziehen.
    Sie saßen lange auf dem Hügel wie zwei Königinnen, denen man das Reich genommen und die man im nebligen Niemandsland ausgesetzt hatte.
    Paris war verschwunden, die Bastille war verschwunden, sogar die Geräusche schienen verschwunden. Der kleine Berg aus Quadern konnte an jedem Ort der Welt stehen. Stille und Einsamkeit, die ihnen der Dunst gewährte.
    Ein Neuanfang. Aber nicht in dieser Stadt.
    »Wir müssen Paris verlassen«, sagte Sandrine. »Der Comte ist hier und hat zwei Loup-Garous mitgebracht, die seinen Befehlen gehorchen.«
    »Ist er gekommen, um dich zu töten?« Anjanka war äußerst beunruhigt.
    »Nein. Er möchte ja, dass der Fluch bestehen bleibt. Er hat mir nicht gesagt, was er

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