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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sollte. Sie war übervoll, überbordend, ein leibhaftiger Überschwang.
    Anjanka küsste sie und leckte sich anschließend das fremde Blut von den Lippen, verzog das Gesicht. »Upirblut schmeckt furchtbar.« Sie wischte es sich ab. »Lass uns verschwinden. Ich habe kein gutes Gefühl dabei, noch länger in diesem Palast zu verweilen.« Die Tenjac schmiegte sich an sie. »Brennen wir alles nieder!«
    »Alles?« Sandrine sah die Bücher auf dem Tisch liegen, über die die Vampire gesprochen hatten. »Die nehmen wir mit! Es geht nun darum,
deinen
Dämon zu finden und den Pakt mit ihm zu brechen. Du sollst frei sein wie ich!« Sie nahm Anjankas Rucksack, eilte ins Zimmer, raffte die dicken Wälzer an sich. Einer nach dem anderen verschwand im Rucksack. »Wir können es schaffen. Mit diesem Schwert!« Sie pochte gegen die Silberscheide. »Wenn du gesehen hättest, was ich sehen durfte, wärst du ebenso zuversichtlich.« Schnell kehrte sie zur Geliebten zurück. »Los! Frankreich wartet auf uns!«
    Die beiden rannten durch die Gänge und Räume und zündeten die Gardinen und die Möbel an, zerschlugen Petroleumlampen und legten Feuer an allem, was den Flammen als Nahrung dienen konnte.
    Als sie den Palast verlassen hatten und durch den Garten liefen, drehten sie sich am Eingang zur Irrgartenhecke um.
    Das herrschaftliche Anwesen brannte. Die Arbeiter waren verschwunden, der Turm und die Gerüste, die errichtet worden waren, loderten. Es knackte und prasselte laut. Tausendfache Funken flogen zum Himmel hinauf, tanzten bis zu den schwarzen Wolken, ehe sie erloschen.
    »Denkst du, sie werden uns jagen?«, fragte Anjanka deutlichnachdenklicher als zuvor. »Wird die Cognatio uns jagen, weil wir einen von ihnen getötet haben?«
    »Wir gehen nach Westen, mein Herz. Alles andere«, Sandrine küsste sie lange auf den Mund, bevor sie weitersprach, »müssen wir auf uns zukommen lassen.«
    Sie drehten sich um und tauchten ins Labyrinth ein.
Spätherbst 1792,
Tarascon, Südfrankreich
    Sandrine stand auf dem Hügel und sah auf die Stadt am Fluss hinab, deren alte Stadtmauern sich emporreckten und Schutz versprachen.
    Herrlich!
    Sie lächelte.
Unbeschwert
war das Wort, mit dem sich das Le ben von ihr und Anjanka am besten beschreiben ließ. Sie fühlten sich nahe der beschaulichen Stadt an der Rhône sicher wie niemals zuvor, obgleich die Revolution auch in Tarascons Mauern wütete. Aber vor Menschen hatte die Vampirin keine Angst.
    Nun rasch, sonst schließt Vignon wieder vor meiner Nase ab.
    Sandrine schob den Rucksack zurecht und eilte auf Tarascon zu, trat kurz darauf durch das Stadttor.
    Die Revolution besaß durchaus Gutes. Nicht nur, dass das Volk sich gegenüber dem Adel und dem Klerus mehr Rechte nahm. Sie genoss es sogar, dass Tarascons Kapellen und Kirchen in Warenlager, Speicherkammern und sogar in Pferdeställe umgewandelt wurden.
    Sandrine hatte Entscheidendes bemerkt: Das Kreuz verlor auf sie umso mehr seine abschreckende Wirkung, je weniger Menschen es anbeteten.
    Die Menschen nehmen sich das bisschen Schutz, was sie gegenuns dämonische Kreaturen besitzen, selbst. Wenn sie wüssten, was sie sich antun, hätten die Kirchen mehr Zulauf.
    Die Wut der Menschen auf die verschwenderisch lebenden Mönche und Priester ging sogar so weit, dass alle öffentlichen Kreuze in der Stadt und an Wegen entfernt wurden.
    Keine Barrieren mehr. Es lebe die Revolution!
    Sie musste grinsen und spann den Gedanken weiter.
    Womöglich stecken französische Vampire dahinter. Die Schwächung oder gar die Abschaffung des Glaubens ist ein geschickt eingefädelter Plan, den sie in dem Durcheinander gut verbergen können.
    Jetzt lachte sie.
    Nein, das ist zu abwegig. Aber zutrauen würde ich es ihnen schon.
    Sandrine hatte ihre geliebte Arbeit als Sennerin wieder aufgenommen und verkaufte den Kräuterkäse an die Wirte und Krämer. Anjanka beschäftigte sich derweil intensiv mit den Büchern von Lydia Metunova und den Geheimnissen des Schwertes sowie der Dämonen. Sobald Sandrine Zeit entbehren konnte, beteiligte sie sich daran, aber die verschiedenen Sprachen bedeuteten ein Problem für sie.
    Heute Abend werde ich hören, was Anjanka Neues herausgefunden hat.
    Sie bog in die kleine Gasse, wo Monsieur Vignon sein Krämergeschäft betrieb. Er bezahlte ihr gute Preise, wobei sie nach wie vor auf Silbermünzen und nicht auf das Papiergeld bestand, dessen Wert zusehends verfiel. Deswegen war er der Einzige in Tarascon, der ihren Käse verkaufen

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